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«Bei der SOB und den VBZ: Die Vierer sind meine Lieblingsstrecken»

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Martin Gasner arbeitet bei der Südostbahn als Leiter der Transportleitstelle. Doch eine Leidenschaft aus seinem früheren Berufsleben will er auch als Bähnler pflegen: Mit einem Mini-Pensum bleibt er Trampilot bei den Verkehrsbetrieben Zürich. Deshalb ist er der richtige Mann für die Premierenfahrt des SOB-Werbetrams in der Stadt Zürich.

Martin Gasner hat blau-weiss gegen Kupfer und Silber getauscht, Meterspur gegen Normalspur, Nahverkehr gegen Fernverkehr. Seit dem vergangenen Jahr ist er für die Südostbahn tätig. Doch ganz hat der 55-Jährige der VBZ Züri-Linie nicht den Rücken gekehrt. Zu gross war seine Leidenschaft fürs Tramfahren. So kommt es, dass Gasner nebst seinem Bürojob bei der SOB auch in einem kleinen Pensum Trampilot bei den VBZ geblieben ist.

Und nun fährt er an diesem 1. April 2023 als erster Trampilot das SOB-Tram über die Schienen der Stadt Zürich. Kupferfarben wirbt das umgestaltete «Cobra» für die schönsten Linien der Schweiz. «Surreal», sagt Gasner, sei das. «Auf den ersten Blick haben die Firmen nichts miteinander zu tun, umso spezieller ist diese Extrafahrt.» Dass die SOB ein VBZ-Tram kupferfarben gestalten lässt, kommt nicht von ungefähr: Die Trams der Züri-Linie sind Zubringer für Stadtzürcherinnen und Stadtzürcher die mit den Interregio-Linien Treno Gottardo oder Aare Linth der Südostbahn eine Reise unternehmen. Umgekehrt bringen die VBZ die SOB-Fahrgäste an die spannendsten Plätze der Stadt Zürich. Die erste und letzte Meile sind wichtige Teile des Reiseerlebnisses.

Kampf gegen blaue Wände

Martin Gasner hatte beruflich Kerosin im Blut. Er war in der Flight Operation für Fracht- und Passagierfluggesellschaften in Zürich und Chicago tätig. Ein Stelleninserat in der Zeitung brachte ihn dann zu den VBZ als Serviceleiter. Sie sind die Ansprechpersonen für Dinge, die im täglichen Betrieb nicht rund laufen: Geben technische Unterstützung für Chauffeure und Trampiloten, rücken bei Störungen und Unfällen aus oder bringen herrenlose Tiere wieder zurück zu ihren Besitzern. Nicht zuletzt sind Serviceleitende aber auch talentiert: Sie beherrschen alle Fahrzeugtypen der VBZ, um im Bedarfsfall selbst fahren zu können: vom Dieselbus bis zum neusten Tram. In all diesen Situationen Ruhe bewahren zu können, das hilft ihm auch heute bei der SOB: Er kann seinen Mitarbeitenden der Transportleitstelle die nötigen Impulse geben, um in der Hektik fokussiert zu bleiben. Die SOB-Transportleitstelle disponiert schweizweit das eigene Lok- und Kundenbegleitpersonal sowie sämtliche Fahrzeuge der Flotte.

Gasner kennt auch diese Arbeit von den VBZ: In deren Leitstelle trug er als Verkehrsleiter zum reibungslosen Netzbetrieb bei. Die Leitstelle organisiert nicht nur Personal und Fahrzeuge, sondern überwacht auch den technischen Teil des Betriebs. «Manchmal wusste ich wirklich nicht mehr, wo oben und unten ist.» Plötzlich taucht in der Stadt Zürich ein Demonstrationszug auf oder es bleibt ein Auto stecken. «In solchen Situationen galt es, eine blaue Wand zu verhindern.» Im Tramjargon heisst das: Hintereinander bleiben etwa auf der langen Bahnhofstrasse mehrere Trams wie an einer Perlenkette aufgereiht stehen. Gleichzeitig fehlen diese dann auf den Aussenästen des Tramnetzes. Kreativität bei der Problemlösung gehört da dazu, spätestens nach sieben Minuten kommt in der Stadt Zürich nämlich das nächste Tram angefahren.

Geringerer Takt, grössere Auswirkungen

Bei der SOB geht es etwas ruhiger zu und her: Wild rennende Fussgänger oder Autos auf den Gleisen sind zum Glück deutlich seltener. Die Fahrgäste meist weniger gehetzt als im Trubel der Stadt. Dafür verkehren die Züge nur im Halbstunden- oder Stundentakt. «Dadurch sind bei einem einzelnen Fahrzeugausfall viel mehr Leute betroffen und das Anbieten von Alternativen ist über lange Distanzen deutlich schwieriger.» (Mehr zur SOB-Transportleistelle lesen Sie hier.)

Wird Martin Gasner nach seiner Faszination zum Beruf des Trampiloten nun auch noch zum Lokführer? Er winkt ab: Die zeitliche Belastung mit einer Ausbildung wäre zu gross. Kommt dazu, dass Tram- und Lokführer eine gewisse Zahl von Mindesteinsätzen pro Jahr absolvieren müssen, um die Fahrberechtigung zu behalten. Deshalb entscheidet sich Gasner weiterhin fürs Tramfahren.

Viel Abwechslung auf der Linie 4

Am liebsten tut er das in der Stadt Zürich auf der Linie 4. Martin Gasner findet sie «abwechslungsreich», nicht umsonst wird sie auch Kulturlinie genannt: Vom Bahnhof Altstetten führt diese zum Bahnhof Tiefenbrunnen einmal quer durch die Stadt. Vorbei geht es dabei am Toni-Areal (wo Kunststudierende ihrer Ausbildung nachgehen), in den hippen Kreis 5 (dem Treffpunkt von Schauspielern und Kreativen im Industriequartier) und weiter am Landesmuseum und Hauptbahnhof vorbei, der Limmat entlang bis zum Opernhaus und dann ins Seefeld, wo – nebst inzwischen teuren Wohnungen – auch hübsche Plätze wie der Chinagarten und das Strandbad Tiefenbrunnen liegen.

Und bei der SOB? Martin Gasner schmunzelt und sagt: «Auch der Vierer». Die S4 führt durchs Toggenburg, an den Bodensee durchs Rheintal und via Walensee ins Linthgebiet – einmal rund um den Säntis. Nicht weniger abwechslungsreich, dafür etwas weniger hektisch.

Text: Conradin Knabenhans
Fotos: Patrick Gutenberg
Video: Jeannine Fisch

Das Traverso-Tram

Die Flotte der Schweizerischen Südostbahn AG (SOB) hat speziellen Zuwachs erhalten: Seit Samstag, 1. April 2023 verkehrt auf dem Netz der Verkehrsbetriebe Zürich (VBZ) ein Tram im Traverso-Werbegewand. Das kupferfarbene Tram soll Fahrgäste zu Entdeckungsreisen einladen – in der Schweiz und der Stadt Zürich. Mehr zum Traverso-Tram.

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