Berufswelt

Normaltage gibt es nicht

| Berufswelt

Besuch in der Transportleitstelle und der Transportplanung in Herisau: Nina Karrer und Pascal Metzger sind bei der SOB, dass stets genügend Fahrzeuge und Personal am richtigen Ort bereitstehen, um den öffentlichen Personentransport auf den Linien auch in Notfällen aufrecht zu erhalten. Keine leichte Aufgabe im fein austarierten System.

Besuch in der Transportleitstelle und der Transportplanung in Herisau: Nina Karrer und Pascal Metzger sind bei der SOB mitverantwortlich, dass stets genügend Fahrzeuge und Personal am richtigen Ort bereitstehen, um den öffentlichen Personentransport auf den Linien auch in Notfällen aufrecht zu erhalten. Keine leichte Aufgabe im fein austarierten System.

Computer als Werkzeug des Menschen – nicht umgekehrt

«Am wichtigsten ist uns in jedem Fall, dass die Kundinnen und Kunden möglichst wenig von so einem Wechsel mitbekommen », sagen Nina Karrer, Mitarbeiterin Transportleitstelle, und Transportplaner Pascal Metzger einhellig. Wie man bei Spezialereignissen reagiert und innert Kürze kreativ umplant, weiss Nina Karrer. Seit gut einem Jahr arbeitet die 27-Jährige mit KV-Ausbildung und mehrjähriger Dispositionserfahrung am Flughafen in der Transportleitstelle in Herisau. An ihrem Arbeitsplatz verschwindet sie, wie ihre beiden gleichzeitig diensthabenden Kolleg-/innen, hinter einer Wand aus acht Monitoren. «Hier, in der Tagesdispo, laufen alle Fäden zusammen», sagt Karrer und erläutert die einzelnen Bildschirme: in schwarzen Kästen mit farbigen Streifen sind die Zustände der aktuell fahrenden Züge ersichtlich und mit grauen, grünen, blauen und pinkfarbenen Linien der Fahrzeugund Personaltagesplanung («pink ist nicht gut»). Oder das Kommunikationstool, in dem Störungsmeldungen aus dem gesamten Schweizer Bahnnetz im Telegrammstil erfasst und allen Bahnbetrieben in Echtzeit übermittelt werden. «Keine Störung ist wie die andere. Jede Situation erfordert eine einzigartige Lösung, oft in Absprache mit anderen Bahnen», sagt Karrer. Das ist auch der Grund, weshalb Algorithmen noch lange nicht in der Lage sein werden, die Arbeit der Transportleitstelle zu übernehmen. Kürzlich sei ab Arth-Goldau in Richtung Tessin das ganze System zusammengebrochen. Kein Signal, keine Weiche funktionierte mehr auf der Gotthard-Bergstrecke. Da ist dann sehr viel Kundschaft, Personal und Rollmaterial – nicht nur von der SOB – betroffen. «Die Meldungen aus dem Tessin kamen natürlich auf Italienisch ins Tool rein, enorm viele Stellen waren involviert.» Aber irgendwie hat man das Ganze gemanagt. Im Nachgang werden solche Vorfälle im Team analysiert und ausgewertet. «Normaltage gibt es eigentlich nicht», sagt Pascal Metzger und zeigt auf den aktuellen Stand der Fahrzeugplanung. Auch der 24-Jährige hat eine KV-Ausbildung abgeschlossen, er allerdings von Anfang an mit Fachrichtung Öffentlicher Verkehr. Er ist im März 2021, wenige Monate, nachdem der Treno Gottardo der SOB an den Start ging, zum Planungsteam gestossen. Im Jahresplan auf seinem Laptop leuchtet für 2022 nur gerade an zwei Tagen ein grünes Kästchen, das signalisiert: «Alles nach Plan». Alle anderen Tage sind blau, sprich: Spezialtage mit Abweichung aufgrund von Baustellen oder ähnlichem. Das verdeutlicht anschaulich, warum es die Fahrzeug- und Personalplanung nicht nur einmal pro Jahr, sondern stetig braucht: Die möglichst sinnvolle mittelfristige Umplanung ist ebenso wichtig wie der Jahresplan. Hier kommt mal eine Baustelle dazu; da fällt ein Lokführer für eine Woche aus; hier fehlt eine Zugbegleiterin; da ist an einem Fahrzeug eine längere Reparatur nötig.

Wie Tetris – nur sehr real

Auch bei der Planung ist Teamarbeit wichtig: «Manchmal kommt man beim Rumschieben der Fahrzeuge sofort auf die Lösung, manchmal brütet man eine Stunde erfolglos über einem Problem, bis einem der Kopf qualmt. Dann ist man schon froh, wenn jemand anderes einen frischen Blick auf die Situation wirft.», sagt Metzger. RailOpt, das Planungstool, mit dem die Transportplanungs- und die Leitstelle arbeiten, zeigt auf der Hauptoberfläche jene blauen Linien, die auch in der Tages-Dispo angezeigt werden. Sobald etwas rosa oder sogar pink wird, geht die Planung irgendwo nicht mehr auf. «Es ist im Grunde wie Tetrisspielen», sagt Metzger. «Wir schieben die Fahrzeuge in der Planung umher, so dass möglichst alle einen sinnvollen Turnus abfahren können und rechtzeitig wieder beim Instandhaltungscheck landen.» Dasselbe passiert mit den Einsatzplänen für das Lokpersonal und die Kundenbegleiter:innen. «Hier schauen wir, dass unsere Kolleg:innen an Bord möglichst coole und abwechslungsreiche Touren fahren. Dies auch, damit sie auf all unseren Linien routiniert bleiben.» Es kann durchaus vorkommen, dass Dienstwünsche und Fahrplanzwänge in Einzelfällen kollidieren. Darum nimmt der Jahresplan, der im Entwurf im September des Vorjahres beim Personal in die Vernehmlassung geschickt wird, immer noch eine Zusatzschlaufe, bis alle Bedürfnisse – so gut es eben geht – berücksichtigt sind. Die Herausforderungen für die Transportplanung und die Transportleitstelle der SOB haben im Zuge des neuen Engagements im Fernverkehr in den vergangenen Jahren enorm zugenommen. Praktisch die gesamte SOB-Flotte – Bestand heute: 61 Triebzüge – ist stets im Einsatz. Das Planungsteam wurde von fünf auf sieben Personen aufgestockt, die Transportleitstelle von 21 auf 26. Langeweile im Job kommt bei Nina Karrer und Pascal Metzger definitiv nicht auf.

Quelle: Verein Saiten, St.Gallen, Dezember 2022, Auf der Spur: SOB

Text: Roman Hertler
Portraitbild: Andri Voehringer
Headerbild aus der Bilderstrecke des Saiten-Magazins: Serafin Gerber

«Saiten fährt SOB»

Lust zum Weiterlesen? Mehr Lesestoff aus der aktuellen Ausgabe des Kulturmagazins «Saiten» mit Themenfokus auf die SOB finden Sie hier: «Der Zugdoktor» und «Zu Fuss den Gleisen nach»

Im Spezialheft Dezember «Saiten fährt SOB» hat sich die Redaktion hinter die Kulissen der SOB begeben. Die komplette Ausgabe finden Sie hier.

Abonnieren Sie das Kulturmagazin «Saiten» und werden Sie Mitglied.

nach oben