Ab Dezember 2024 fahren Fernverkehrszüge der Südostbahn von Chur durch das Rheintal nach St. Gallen. Die Fachleute von SOB und SBB arbeiten eng zusammen, sodass bis zur Inbetriebnahme alle Details stimmen. Ein wichtiger Aspekt ist dabei der Name der neuen Linie. Er stammt von einem SOB-Kundenbegleiter.
Wie Puzzleteile verbinden sich in den kommenden Monaten die einzelnen Aspekte dieser neuen Linie. Einen zentralen Beitrag hat Avni Sadrija geliefert. Der Kundenbegleiter hat der SOB den Namen für die neue Verbindung zwischen Chur und St. Gallen geliefert: Alpenrhein-Express.
Kein Namenswettbewerb
Sein Erstaunen ist Avni Sadrija deutlich anzumerken, als er das erste Mal erfährt, dass sein Namensvorschlag das Rennen gemacht hat: Gänsehaut habe er – und sogleich fügt er an: «Das werde ich mal meinen Kindern erzählen.» Dass er so überrascht reagiert, kommt nicht von ungefähr. Denn der Kundenbegleiter hat nicht etwa einen internen Namenswettbewerb gewonnen, sondern aus eigener Initiative über das SOB-Ideenmanagement seinen Vorschlag eingereicht. Über das Ideenmanagement können alle Mitarbeitenden unabhängig von ihrer Position Verbesserungsvorschläge für den Arbeitsalltag und die zukünftige Entwicklung der SOB machen. Ein Eintrag im Intranet des Unternehmens genügt.
Viele Ideen, alle zu kompliziert
Sadrija, gelernter Sanitär und über einen Umweg im Sicherheitsdienst zur Bahn gekommen, ist noch keinen Monat bei der Südostbahn angestellt, als er in einer Schulung von der neuen Linie im Rheintal erfährt. «Der Kursleiter hat gemeint, es werde noch ein Name gesucht.» In diesem Moment sei er abgeschweift und habe dem Kurs gedanklich nicht mehr folgen können, erzählt der 27-jährige Gossauer mit einem verschmitzten Lächeln im Gesicht. Seine erste Idee: «Vier-Länder-Blick». Doch die Idee fällt – auch wenn die Aussicht auf die Schweiz, Deutschland, Österreich und Liechtenstein passend wäre – bei seiner Freundin und den Kollegen durch. Zu kompliziert.
Eigentlich wollte Sadrija schon aufgeben, doch bei einem Frühstück diskutierte er erneut mit seiner Freundin über mögliche Namen. Calanda oder Rhein, vieles sei ihm in den Sinn gekommen. «Diese Namen waren aber maximal genügend», erzählt er selbstkritisch. Dann sei er, der gebürtige Zürcher Unterländer, bei einer Internetrecherche darauf gestossen, dass der Flusslauf zwischen Reichenau-Tamins und dem Bodensee als Alpenrhein bezeichnet wird.
Seine Freundin – keine Bähnlerin – habe zuerst ungläubig zurückgefragt: «Gibt’s das wirklich?» Und dann angefügt: «Schatz, das ist der Name!»
Viele Ideen, aber keine zündende
Von den Diskussionen an Sadrijas Frühstückstisch weiss das Marketing-Team der Südostbahn zu diesem Zeitpunkt nichts. Dutzende Namensvorschläge entstehen – der Alpenrhein ist in keiner Weise auf der Liste. So richtig überzeugend sind die Ideen nicht: Der Rhein ist so lang, dass er keine eigenständige Bezeichnung erlaubt. Manche Berggipfel bieten Interpretationsspielraum und rätoromanische Begriffe passen nicht zum gesamten Einzugsgebiet des Zuges.
Kurz und knapp formuliert Avni in dieser Zeit seinen Vorschlag: «Es gibt den Deltarhein, Niederrhein, Oberrhein und Hochrhein. Der Teil des Rheins, an dem wir entlang fahren werden, heisst Alpenrhein. Mein Vorschlag für den Namen wäre also der Alpenrhein-Express.» Und er fügt charmant an: «Meinen Freunden und Verwandten hat der Name übrigens sehr gefallen. Gruess Avni»
«Jede Idee ist wertvoll»
Die Idee kommt genau zur richtigen Zeit – und sei sofort auf Begeisterung gestossen, meint Urs Brütsch, Leiter Mobilität der Südostbahn.
Der Vorschlag von Avni Sadrija sei eigentlich naheliegend und banal, aber sehr treffend. Der Name passt zur Region, wie nur ein Beispiel zeigt: In einer Initiative arbeiten etwa die Regierungen der Kantone Graubünden und St. Gallen, des Fürstentum Liechtensteins und des Landes Vorarlberg zum Wohle des Alpenrheins zusammen. Die neue SOB-Linie wird diese Region künftig verbinden. «Das Beispiel zeigt auch, wie wertvoll Ideen jedes einzelnen Mitarbeiters sind», sagt Urs Brütsch.
Avni Sadrija kann es kaum erwarten, den Namen – «seinen» Namen – auf dem Traverso zu sehen. Derzeit werden die Beschriftungen vorbereitet, um dann im Stadler-Werk bei den neuen Fahrzeugen direkt angebracht zu werden. Die bestehende Traverso-Flotte folgt danach ebenfalls. «Ich kann dabei sein und etwas Bleibendes schaffen», sagt Sadrija sichtlich stolz. Auf den Lorbeeren ausruhen wird er sich allerdings nicht: Er hat schon die nächsten Ideen im Ärmel, die er bei der SOB einbringen will.
Bei Reichenau fliessen der Vorderrhein und der Hinterrhein zusammen. Von dort an bis zur Einmündung in den Bodensee reicht danach das Gebiet des Alpenrheins. Über eine halbe Million Menschen wohnen, arbeiten und leben im 90 Kilometer Alpenrheintal, das zur Schweiz, zum Fürstentum Liechtenstein und zu Österreich gehört. Das Einzugsgebiet des Alpenrheins ist rund 6110 Quadratkilometer gross.