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Kundenbegleitung sei gelernt: Ein Einblick in die Ausbildung der SOB-Kundenbegleiter

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Wer kennt ihn nicht, den oft gehörten Satz: «Alle Billette vorweisen, bitte.» Kundenbegleiterinnen und Kundenbegleiter kontrollieren aber längst nicht mehr nur die Fahrkarten. Vielmehr kümmern sie sich um Bedürfnisse der Reisenden und die technischen Ansprüche der Fahrzeuge. Auf diese Allrounderfunktion legt die Südostbahn bereits in der Ausbildung ein Augenmerk.

Der kupferfarbene Traverso schimmert in der Morgensonne am Bahnhof in Arth-Goldau. Der Zug ist heute für Bruno Landolt und Guido Dittli, Kundenbegleiter bei der SOB, und deren Kundenbegleitung-Grundklasse 0222 reserviert. Das Endziel liegt für diesen Traverso nicht in der Sonnenstube der Schweiz, sondern bereits einige Hundert Meter vom Bahnhof entfernt auf einem Abstellgleis. «Wir sind alle ein Team. Stellt euch vor Dienstbeginn dem Lokpersonal vor.» Das ist Bruno Landolts erster Tipp für die Teilnehmenden an diesem Freitagmorgen bei der Fahrzeugkunde in Arth-Goldau. Der Kundenbegleiter weiss, eine gute Zusammenarbeit mit dem Lokpersonal spart Zeit und erleichtert die Abläufe. «Wenn ihr euch kennt, gehts einfacher», betont Bruno. Sofort notieren die Auszubildenden den Hinweis in ihr «Traverso to go»-Handbuch, wie die Teilnehmenden den Leitfaden von Bruno nennen. Der Traverso ist mittlerweile samt der Kundenbegleitung-Grundklasse auf dem Abstellgleis angelangt. Für die Teilnehmenden geht es in Halbklassen weiter. Die eine Hälfte widmet sich zuerst den technischen Themen im Zug, die andere Hälfte den Durchsagen. Am Nachmittag wird getauscht. Die vier Auszubildenden Cornelia Voigt, Fabrice Luder, Monika Kieser und Regina Himmelrich verbringen den Morgen bei Bruno. Sie arbeiten das «Traverso to go»-Handbuch gemeinsam durch und widmen sich den Themen Türen, WC und technische Einrichtungen. Sie sind nach der dreitägigen Fahrzeugkunde das erste Mal auf dem Traverso zusammen mit einer ausgebildeten Kundenbegleiterin bzw. einem ausgebildeten Kundenbegleiter im Einsatz. Der Tag in Arth-Goldau rundet die theoretische Ausbildung ab.

«Tür defekt»

Los geht es mit dem Thema «Türstörungen». Bruno zeigt das Vorgehen im Falle einer defekten Tür. Er schaltet die Sicherung der Türen aus und zieht sie geschickt von Hand zu. Bruno weist die vier Auszubildenden darauf hin, dass sich die Türen am besten schliessen liessen, wenn die Kundenbegleiterinnen bzw. Kundenbegleiter an den Gummileisten der Türblätter ziehen würden. Spätestens nach dem nächsten Tipp wissen alle, wieso die Kommunikation mit dem Lokpersonal so wichtig ist. Bruno sagt: «Wenn ihr das Lokpersonal nicht von Beginn an informiert, wo ihr euch im Störungsfall befi ndet, weiss es nicht, ob ihr den Zug allenfalls verlassen habt. Es wäre nicht gut, wenn der Zug dann ohne euch weiterfährt.» Der Blick der Teilnehmenden scheint belustigt und skeptisch zugleich. «Lassen sich die Türen von innen und aussen schliessen?», will Cornelia wissen. Bruno bestätigt, dass sich die Türen auch von aussen zumachen lassen. Die Kundenbegleiter/-innen sollen es aber, wenn immer möglich, von innen versuchen. Jetzt verriegelt Bruno die Tür mit dem Vierkantschlüssel und schaltet die Sicherung wieder ein. Er weiss, dass die rote Lampe über der Tür gleich blinken wird. Die Blicke der Teilnehmenden gehen in Richtung Decke und siehe da: Bruno hat recht. «Das bedeutet, dass sich die Tür noch nicht in der Endlage, also der endgültigen Position, befindet», erklärt der erfahrene Kundenbegleiter. Er entriegelt und verriegelt die Tür erneut mit dem Vierkantschlüssel. Jetzt leuchtet die Lampe konstant und die Tür befindet sich in der Endlage. Sie ist jetzt korrekt geschlossen. Zum Schluss beklebt Bruno die Scheiben mit «Tür defekt»-Aufklebern. Anschliessend würde er das Lokpersonal informieren, dass es weiterfahren kann. «So, wer will dieses Szenario als Erstes ausprobieren?», fragt Bruno.

Augen offen halten

«Piep, piep, piep», die Zugtür schliesst. Die angehenden Kundenbegleiterinnen und Kundenbegleiter beobachten diesen Vorgang. Bei genauerem Betrachten sehen sie, dass die Spaltüberbrückung – wie das Trittbrett auch genannt wird – herausragt. Beim Trittbrett gibt es gemäss Bruno zeitweise Probleme wegen Kieselsteinen: «Sie verhindern das Einfahren der Spaltüberbrückung. Achtet also schon beim Einsteigen auf die Trittbretter und wischte Kieselsteine weg. Damit spart ihr euch eine Menge Arbeit.» Regina fügt hinzu: «Du kennst dieses Baby in- und auswendig, was?» «Klar», erwidert Bruno, «aber keine Angst, ihr lernt den Zug mit der Zeit auch kennen.» Die Teilnehmenden öffnen den Sicherungskasten und entkuppeln das Trittbrett vom Antrieb. Jetzt ist der Stromanschluss unterbrochen und das Trittbrett fährt nicht mehr automatisch ein oder aus. Anschliessend schieben sie die Spaltüberbrückung mit der Ferse hinein, bis sie mit einem hörbaren dumpfen Schlag in der Endposition liegt. Indem die angehenden Kundenbegleiterinnen und Kundenbegleiter das Trittbrett sowie die Türen mittels Vierkantschlüssel verriegeln und den «Tür defekt»-Aufkleber anbringen, ist der Prozess abgeschlossen.

Übung macht den Meister

Mit viel Selbstvertrauen gehen Cornelia, Fabrice, Monika und Regina mit Bruno weiter zum nächsten Zugabteil. Mit dem «Traverso to go»-Handbuch sehen sie sich gemeinsam verschiedene Szenarien an, unter anderem das Vorgehen bei einem medizinischen Notfall. Liege eine Person in der kleineren von beiden Zugtoiletten, lasse sich die Tür nicht mehr öffnen, betont Bruno. Die Teilnehmenden machen sich ans Ausheben der Tür. Das scheint nicht ganz einfach zu sein. Als Monika schliesslich mit einem lauten «Klick» die Tür aus den Angeln hebt, gibt es ermunternde Zurufe aus der Gruppe. Bruno ergänzt:«Ihr habt das heute Morgen wirklich gut gemacht.» Mit diesen Worten verabschiedet er die Gruppe in die Mittagspause.

Vom Flugzeug bis hin zur Marketingabteilung

Beim Mittagessen lassen die vier angehenden Kundenbegleiterinnen bzw. Kundenbegleiter die Informationen vom Morgen sacken. Die Freude auf ihren bevorstehenden ersten Einsatz im Zug mit Lernbegleitung ist deutlich spürbar. Alle kommen aus unterschiedlichen Bereichen. Regina beispielsweise arbeitete als Flight-Attendant und Cornelia in einer Marketingabteilung. Sie alle haben aber eines gemeinsam: Sie lieben den Austausch mit Kundinnen und Kunden. Gestärkt und mit neuer Energie empfängt Guido Dittli die vier Auszubildenden am Nachmittag wieder im Traverso. In den nächsten Stunden beschäftigen sie sich mit den Themen Lautsprecherdurchsage, Reservations- und Kundeninformationssystem. Die andere Halbklasse wechselt zu Bruno.

Deutsch, Italienisch oder Englisch

Mit einem kleinen Theorieblock zum Thema Lautsprecherdurchsagen beginnend, erklärt Guido: «Im Fernverkehr machen Kundenbegleiterinnen und Kundenbegleiter an ausgewählten Bahnhöfen mit wichtigen Anschlüssen die Durchsagen selbst. Es gibt allerdings auch gespeicherte Ansagen.» In den Unterlagen sieht die Gruppe, welche Ansage wo laufen soll und in welchen Sprachen. Die Kundenbegleitung führt die Durchsagen je nach Bahnhof in Deutsch, Italienisch und/oder Englisch durch. Die Frage: «Sollen wir das alles auswendig können?», steht unausgesprochen im Raum. Guido fügt hinzu, dass die Texte auf den jeweiligen Smartphones der Kundenbegleitung oder in der Kundenbegleitung-Kabine ersichtlich seien.

Unterschiedliche Wagen

Guido zeigt der Gruppe die Kundenbegleitung-Kabine. Neben den Durchsagen sehen die Kundenbegleiterinnen und Kundenbegleiter hier auch die Anzeige der reservierten Sitzplätze. «Ihr seht sie auch auf eurem Smartphone. Kontrolliert bei Dienstbeginn jeweils, ob und welche Sitze reserviert sind. So seid ihr vorbereitet.» Die Teilnehmenden notieren sich den Tipp von Guido: Wagen vier und fünf seien immer gut besetzt. Ausweichmöglichkeiten würden die Wagen sieben oder acht bieten. «Hallo», steht plötzlich aussen am Zug. Guido zeigt der Gruppe das Zuginformationssystem, das sich ebenfalls von der Kabine aus steuern lässt. «Hiermit können wir also den Zug aussen und die Bildschirme im Fahrzeug beschriften?», fragt Monika. Guido bejaht und zeigt auf den Informationsmonitor.

«Ihre nächsten Verbindungen»

Nach diesem Exkurs ist es endlich so weit, die Gruppe darf die Zugdurchsagen live üben. Cornelia betritt nervös die Kundenbegleitung-Kabine und setzt sich an den Tisch. Sie nimmt das Telefon in die Hand und drückt den Knopf: «Geschätzte Fahrgäste, wir treffen in St. Gallen ein. Ausstiegsseite in Fahrtrichtung links. Endbahnhof. Wir bitten Sie auszusteigen und verabschieden uns von Ihnen.» Mit diesen Worten verlässt sie die Kabine wieder. «Mein Herz hat so geklopft. Wenn ich das in einem vollen Zug nochmals machen muss, bin ich sicherlich noch nervöser. Vielleicht bin ich dann aber auch schon im Profi modus», sagt Cornelia erleichtert und lacht. Als Nächstes ist Fabrice an der Reihe. Er verschwindet in der kleinen Kabine. Wenige Sekunden später ertönt der Gong und Fabrice führt die Durchsage in Deutsch und Französisch einwandfrei durch.

Erster Arbeitstag von Fabrice

Fabrice hat im Sommer 2021 seine Lehre als Fachmann öffentlicher Verkehr bei der SBB abgeschlossen. Somit kennt er einige Arbeitsabläufe bereits. Und trotzdem unterscheiden sie sich aufgrund der verschiedenen Fahrzeuge. Wie er seine erste Tour meisterte, hören Sie in unserer Audioreportage.

Vom Abstellgleis in den Fernverkehr

Mit weiterem Üben neigt sich der Kurstag langsam dem Ende zu. Ab nächster Woche beginnen die Einsätze im Zug. Die Auszubildenden sammeln zusammen mit der/dem sogenannten Lernbegleiterin/Lernbegleiter weiter praktische Erfahrung. Regina beispielsweise startet ihre erste Tour am Montagmorgen ab Chur: «Ich freue mich darauf, täglich viele unterschiedliche Gesichter zu sehen und die Reisenden endlich persönlich zu betreuen.»

Zweitausbildung Kundenbegleitung bei der Südostbahn

Lust, im Traverso zu arbeiten?

Alle Informationen zur Zweitausbildung sind auf der Webseite www.sob.ch/zweitausbildung-kundenbegleitung ersichtlich.

Text: Jeannine Fisch
Fotos: Jeannine Fisch und Mara Hollenstein

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