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Sonnenenergie tanken

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538 Quadratmeter gross ist die Photovoltaikanlage auf dem Dach des Bürogebäudes A in Samstagern. Seit Anfang 2021 produziert diese Anlage – auf einer bisher ungenutzten Fläche – Solarstrom, der direkt wieder im Service-Zentrum Samstagern der Südostbahn verbraucht wird.

Die Sonne scheint im Tessin durchschnittlich über 2100 Stunden im Jahr. Aber auch andernorts wird die Sonneneinstrahlung genutzt – obwohl die durchschnittlichen Sonnenstunden nicht überall die Werte der Sonnenstube der Schweiz erreichen: In Samstagern lechzt die Photovoltaikanlage Tag für Tag nach Sonne zur Produktion von Haushaltsstrom.

Strom ist nicht gleich Strom

Der Unterschied zwischen Haushalts- und Bahnstrom liegt in der Frequenz. Während Haushaltsstrom eine Frequenz von 50 Hertz aufweist, hat Bahnstrom eine Frequenz von 16.7 Hertz. Im Vergleich: Die Netzspannung zu Hause an der Steckdose beträgt 230 Volt, die Netzspannung der Bahn liegt bei 15000 Volt. Den Strom für ihre Gebäude, sprich den Haushaltsstrom, kauft die SOB bei regionalen Energielieferanten ein – also je nach Standort bei unterschiedlichen Anbietern. In Samstagern bezieht die SOB den Strom im freien Markt aus 100 Prozent Wasserkraft. Anders sieht die Sache beim Bahnstrom aus: Die Südostbahn kauft den Strom für die Fahrleitungen bei der Systemführerin für Bahnstrom ein, der SBB. 90 Prozent dieses Stroms stammt dabei aus Wasserkraft von eigenen Wasserkraftwerken der SBB oder ihren Partnerwerken. Die SBB ist wiederum vom Bund verpflichtet, den Strom an andere Bahnen zu liefern. Da die SOB wie auch andere Eisenbahnunternehmen nicht selbst entscheiden kann, bei wem sie den Strom bezieht, legt das Bundesamt für Verkehr (BAV) den Preis fest. 

Die Energiestrategie des Bundesrates

Rund ein Drittel des gesamten Energieverbrauchs in der Schweiz verursacht der gesamte Verkehr. Der öffentliche Verkehr braucht auch ordentlich Saft; erbringt dabei aber rund einen Fünftel der Passagierkilometer und verbraucht nur rund 5,5 Prozent der Energie des gesamten Verkehrs. Der öffentliche Personenverkehr benötigt bei gleicher Transportleistung dreimal weniger Energie als der motorisierte Individualverkehr. Der Unterschied zwischen Schiene und Strasse erreicht im Güterverkehr den Faktor zehn. Der öV kann einen wichtigen Beitrag zu den Zielen der Energiestrategie leisten, indem er einen höheren Anteil am Mobilitätsaufkommen übernimmt und so die Energieeffizienz des gesamten Verkehrssektors steigert. Das BAV ist beauftragt, die Energiestrategie des Bundesrates in seinem Zuständigkeitsbereich zu konkretisieren. Zu diesem Zweck hat das BAV das Programm «Energiestrategie 2050 im öffentlichen Verkehr (ESöV 2050)» lanciert und nimmt die Transportunternehmen (TU) in die Pflicht. Damit der öV seinen Umweltvorteil halten kann, muss er aber zugleich seine Energieeffizienz weiter verbessern und den Anteil erneuerbarer Energie weiter erhöhen. Der Verband öffentlicher Verkehr (VöV) zeigt seinen Mitgliedern mit der «Energiestrategie VöV» die grössten Handlungsfelder und Potenziale für die Branche auf.

Wie ist das möglich?

Mit Photovoltaik (PV) haben Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs die Chance, ihre Energieversorgung teilweise mittels eigener Anlagen selbst in die Hand zu nehmen. Das Potenzial ist gross: Die Transportunternehmen des öffentlichen Verkehrs könnten auf ihren Gebäuden rund einen Viertel ihres Energieverbrauchs erzeugen und damit einen beachtlichen Beitrag zur Umsetzung der Energiestrategie 2050 leisten.

Photovoltaikanlagen der SOB

Bereits seit November 2019 produziert eine Photovoltaikanlage auf dem Perrondach des SOB-Bahnhofs Roggwil-Berg auf einer Fläche von 227 Quadratmetern bis zu 30000 Kilowattstunden Strom pro Jahr. Dies entspricht ungefähr dem Jahresbedarf von acht Einfamilienhäusern (Vierpersonenhaushalt). Die SOB stellt das Perrondach der Energiegenossenschaft Roggwil (EN-GE-RO) zur Verfügung. Die Genossenschaft betreibt die Photovoltaikanlage und ist für den Unterhalt zuständig.

Dächer eignen sich hervorragend für Photovoltaikanlagen, da sie von morgens bis abends im Sommer und Winter gut von der Sonne beschienen werden. Im Zuge einer energetischen Fassaden- und Dachsanierung des Bürogebäudes A in Samstagern wurde per Anfang 2021 nun auch eine sogenannte Indach-Photovoltaikanlage fertiggestellt. Diese ungenutzte Fläche hatte die Immobilienabteilung der SOB schon länger im Visier.

Bei einer Indach-Photovoltaikanlage bilden die Solarmodule zugleich die Dachhaut. Eine Erneuerung ist problemlos, weil PV-Anlagen günstig und meist einfach installierbar sind. Die einzelnen Module lassen sich also leicht austauschen, ähnlich wie bei einem Ziegeldach. Das Dach ist homogen und lässt sich, wenn nötig, gut reinigen.

Die PV-Anlage in Samstagern liefert rund einen Fünftel des Jahresenergieverbrauchs des Service-Zentrums inklusive Bürobauten. Die von der PV-Anlage erzeugte Energie dient dem Eigenbedarf an Haushaltsstrom und wird direkt wieder im Service-Zentrum in Samstagern verbraucht. Dadurch sinken die laufenden Stromkosten, da die SOB weniger Strom bei regionalen Energieanbietern einkaufen muss.

Unter den aktuellen wirtschaftlichen und politischen Rahmenbedingungen ist es derzeit ausschlaggebend, den Solarstrom lokal – also zur Selbstversorgung – zu verbrauchen, um eine PV-Anlage rentabel zu betreiben. 

Wie geht es weiter?

Aktuell klärt die SOB-Infrastruktur in einer Studie die Machbarkeit und Wirtschaftlichkeit von PV-Anlagen auf zahlreichen Technikgebäuden. Auch hier verfolgt die Südostbahn das Ziel, die durch Photovoltaik gewonnene Energie direkt  in den Technikgebäuden zu verbrauchen. Die Nutzung von PV-Anlagen an Lärmschutzwänden auf dem SOB-Streckennetz wurde untersucht, jedoch nach heutigem Stand aus wirtschaftlichen Gründen wieder verworfen. 

Zudem prüft die Immobilienabteilung der SOB situativ im Rahmen von Projektentwicklungen und Sanierungen die Installation weiterer PV-Anlagen, um möglichst viel Strom für den Eigenbedarf zu produzieren.

Text: Ramona Schwarzmann
Bilder: Thomas Lutz

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