Bauwerke wie Viadukte sind oft schwer zugänglich, das weiss auch Roland Betschart, Lokführer der SOB. Er hatte die Idee, Drohnen für Inspektionen der Infrastruktur einzusetzen. Das Ressort Ingenieurbau war begeistert und brachte das Projekt zum Fliegen. Wie aus dem Pilotprojekt Alltag wurde, erzählt Robert Wagner, Leiter Ingenieurbau bei der SOB.
Seit Kindertagen faszinieren den SOB-Lokführer Roland Betschart zwei Dinge: die Eisenbahn und die Fliegerei. Dazu gehört auch das Drohnenfliegen. Beim Ideenmanagement reichte er seinen Vorschlag «Fotos und Drohnenvideos für Kontrollflüge in der Infrastruktur» ein, und aus einem Geistesblitz wurde Realität. Eine Bedürfnisabklärung bestätigte, dass Rolands Überlegung unbedingt weiterverfolgt werden sollte. Drohnenbilder könnten die Zustandskontrolle von Fahrzeugen, der Infrastruktur sowie Inspektionen von Grünflächen erleichtern. In einem ersten Schritt fiel der Entscheid auf einen Versuch mit Kontrollflügen im Bereich des Ressorts Ingenieurbau im Geschäftsbereich Infrastruktur. Gesagt, getan: Die ersten Probeflüge an der Biberbrücke 1 erfolgten im November 2021 mit Rolands privater Drohne. Sie waren so erfolgreich, dass die Südostbahn das Projekt fortführte. Aus dem Pilotprojekt wurde Alltag. Ein Gespräch mit Robert Wagner, Leiter Ingenieurbau bei der SOB, über die neue Technologie.
Wie war eure Reaktion, als das Ideenmanagement mit dem Vorschlag, Drohnen in eurem Ressort einzusetzen, auf euch zukam?
«Klingt spannend, probieren wir direkt aus!» Auf dem Schirm hatten wir das Thema eigentlich schon lange, doch kam uns die Pandemie dazwischen und es gab andere Prioritäten. Die Weiterentwicklung in der Drohnentechnologie spielte uns später zudem entgegen. Drohnen sind heute viel leichter und kostengünstiger als noch vor ein paar Jahren.
Wichtig war für uns, zu prüfen, ob die Aufnahmen auch brauchbar sind und sich Daten überhaupt ableiten lassen. Sprich, ist die Bildauflösung gut, können wir nahe genug an die Bauwerke heranfliegen – natürlich immer unterhalb des Gleises, damit wir nicht ins Lichtraumprofil unserer Züge geraten. Der Testflug war ein voller Erfolg. Die Aufnahmen waren von bester Qualität und wir konnten Details so genau erkennen, dass wir nach einem weiteren Test entschieden, eine eigene Drohne anzuschaffen.
Wer fliegt die Drohne und was ist dazu nötig?
Die Drohne wird von unseren Mitarbeitenden, den Technologiemanagern des Ingenieurbaus, geflogen. Wir setzen eine Drohne mit geringem Gewicht von 249 Gramm ein, dafür mussten sie lediglich eine Ausbildung in Form eines Onlinetrainings absolvieren.
Wozu dienen euch die Drohnenflüge?
Einer der Aufträge des Ressorts Ingenieurbau ist die Überwachung und regelmässige Inspektion unserer Bauwerke. Wir haben davon zahlreiche aus der Gründerzeit der Eisenbahn, ein gutes Beispiel ist der 99 Meter hohe Sitterviadukt. Damals stand das Bauen im Vordergrund. Überlegungen zum Erhaltungsmanagement über die Nutzungszeit hinweg waren sekundär. Dies erschwert die Inspektion heute. Mit Drohnen haben wir nun die Möglichkeit, uns rasch einen Überblick zu verschaffen, ob Schäden an den Bauwerken sind.
Wie und wann finden die Drohnenflüge statt? Fliegt ihr periodisch ab?
Die Drohne setzen wir situativ ein, zur Unterstützung unserer Inspektionen an den Kunstbauten. Grundsätzlich überprüfen wir die Bauwerke im Rahmen einer Hauptinspektion alle sechs Jahre. Wir nutzen die Drohne vor allem bei Kunstbauten, die schwer zugänglich oder besonders hoch sind und die wir nur mithilfe von Ferngläsern oder durch den aufwendigen Aufbau von Gerüsten inspizieren können. Zum Beispiel haben wir die Pfeiler des Sitterviadukts vor der Sanierung im Jahr 2017 mit dem Fernglas begutachtet, bevor wir Gerüste aufgebaut haben. Dank der Drohne haben wir eine kostengünstige und effiziente Möglichkeit für eine Erstüberprüfung. Ein weiterer Vorteil ist, dass für die Umsetzung allfälliger Massnahmen dank den Fotos bereits eine gute Datengrundlage vorhanden ist. Das haben wir mit dem Fernglas nicht.
Gibt es auch unterjährig Rückmeldungen zu möglichen Schäden abseits der periodischen Kontrollen?
Ja. Wir bekommen Rückmeldungen von den Mitarbeitenden, die draussen auf unserer Infrastruktur arbeiten, das heisst von jenen des Ressorts Fahrbahn, von Streckenläufern oder vom Lokpersonal usw.
Was macht der Ingenieurbau mit den Daten? Wie wertet ihr die Bilder aus?
Nach den Flügen werten die Technologiemanager aktuell die Aufnahmen noch manuell aus. Deshalb sind wir mit Firmen im Gespräch, die diese Aufnahmen mittels künstlicher Intelligenz (KI) oder eines Algorithmus auswerten. Erste Tests sind bereits erfolgt. Dabei konnte die KI Risse samt deren Grösse erkennen. Das liefert uns Initialdaten, die wir bei einem künftigen Kontrollflug heranziehen können, um zu erkennen, ob die Risse sich vergrössert haben bzw. wie sich das Bauwerk verändert hat. So haben wir die Möglichkeit, über einen grösseren Zeithorizont hinweg Aussagen über den Zustand zu treffen und den optimalen Instandsetzungszeitpunkt zu bestimmen. Diese Informationen fliessen wiederum in den nächsten Investitionsplan ein. Die KI ist hierfür wertvoll und wird trainiert. Sie liefert mittlerweile gute Daten von Betonoberflächen. Im Bereich von Natursteinmauerwerken ist sie noch ausbaufähig. Den zugehörigen sogenannten digitalen Zwilling unseres Bauwerks können wir mittlerweile auf Grundlage von Drohnen- und sogar einfachen Handyaufnahmen selbst erstellen.
Wie zieht die SOB einen Nutzen daraus?
Es ist eine enorme Effizienzsteigerung und ein Beitrag zur Nachhaltigkeit für die SOB. Wir setzen die Inspektionen mit wesentlich geringeren Ressourcen um. Dadurch haben die Mitarbeitenden unseres Ressorts mehr Zeit für andere Aufgaben. Gleichzeitig werden wir aufgrund der zusätzlichen Daten zukünftig unsere Instandsetzungsprojekte noch ressourcenschonender planen können. Aktuell inspizieren wir das meiste noch in alter Manier. Aber die Drohne ist mehr und mehr im Einsatz. Nicht nur der Ingenieurbau, sondern auch andere Ressorts nutzen sie für ihre Zwecke. Es ist eben eine einfache Möglichkeit, an Informationen zu kommen, um einen ersten Check zu machen, ohne gross etwas aufbauen zu müssen.
Regeln für den Drohnenflug
Das Fliegen von Drohnen ist in der Schweiz vom Bundesamt für Zivilluftfahrt reglementiert. Je nach Grösse, Gewicht und Einsatz ist nur eine Registrierung notwendig oder es muss eine obligatorische Schulung absolviert werden. Zudem müssen Drohnenpiloten lokale Gegebenheiten berücksichtigen. So gibt es etwa rund um Flugplätze und Heliports kleinere und grössere Flugverbotszonen. Beim Fliegen in der Nähe von Eisenbahnanlagen sind zusätzliche Regeln der Bahnbetreiber zu beachten. Vorgeschrieben ist etwa ein grosser Sicherheitsabstand zu Fahrleitungen und Masten, Lichter an Drohnen sind abzuschalten und ein Flug über fahrende Züge ist nicht gestattet. Bei privaten Drohnenflügen entlang der SOB-Infrastruktur ist die Medienstelle der SOB (www.sob.ch/medien) vorab zu kontaktieren.
Text: Nicole Baró-Wolf Bilder: Markus Schälli SOB
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