Dass es zu einem solchen Happy-End kommen würde, war 1987 nicht absehbar, als die Reuss einmal mehr über die Ufer trat und weite Teile des Urner Talbodens unter Wasser setzte. Für viele Urner war das ein Déjà-vu-Erlebnis. Denn die Reuss ist seit jeher ein Sorgenkind. Bei Schneeschmelze und Hochwasser trat sie ständig über die Ufer. Um sie zu bändigen, baute der Kanton Uri Mitte des 19. Jahrhunderts einen Kanal. Statt durch die Felder der Bauern zu mäandern, floss die Reuss fortan fadengerade in den See.
Doch das ging nicht lange gut. Denn wie jeder Fluss führt auch die Reuss Sand und Geröll mit sich. In einem natürlichen Flussverlauf spült der Strom dieses Geschiebe an der Mündung breit hinaus in den See, sodass ein natürliches Delta entsteht. Nach der Reusskorrektur war das aber nicht mehr möglich. Der mitgeführte Sand lagerte sich zuvorderst ab und bildete eine Art Zapfen. Folge: Der verstopfte Abfluss führte zu neuen Überschwemmungen. Zwischen 1900 und 1912 verlängerten die Urner deshalb den Kanal weit in den See hinaus. Zudem begann die Firma Arnold & Co., gewerbsmässig Sand und Kies aus dem See zu baggern.
Die Folgen waren fatal: In Ufernähe entstanden Baggerlöcher und zu steile Böschungswinkel, die für Nichtschwimmer beim Baden lebensgefährlich waren. Auch der Seegrund kam ins Rutschen, und wegen fehlenden Flachwasserzonen prallten die Wellen mit voller Wucht ans Ufer. Das Festland wurde unterspült. Um dreihundert Meter frass sich der See bis Mitte der 1980er Jahre ins Landesinnere. Um eine weitere Erosion zu verhindern, musste man handeln. Interessenskonflikte löste man, indem man ein naturnahes Delta plante, wo Tiere leben und Pflanzen gedeihen konnten, wo die Kiesbagger ebenso Platz haben sollten wie Fischerboote, Fahrräder und die Traktoren der Landwirte. Das Urner Volk lieferte die nötige Rechtsgrundlage: Es stimmte dem Gesetz über das Reussdelta 1985 mit 71 Prozent Ja-Stimmen zu.