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Die Namen der Südostbahn-Züge: Von A-Z im Höhenflug

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Von Basel ins Tessin, von Bern nach Chur und in der Zentral- und Ostschweiz sowieso: Irgend ein Gipfel ist immer zu sehen vom Liniennetz der Südostbahn. Naheliegend also, die SOB-Flotte mit Bergnamen zu beschriften. Die Grafiken der Höhenzüge sind in Zusammenarbeit mit dem Bundesamt für Landestopografie, swisstopo, entstanden – und diese begeistern Gross und Klein.

«Höhenflüge in Höhenzügen» – mit diesem geflügelten Wort war die Idee (eine Eingebung an einem Wochenendausflug im Zug bei bester Stimmung)zur Beschriftung der SOB-Flotte geboren. Eigentlich naheliegend, im Alpenland Schweiz: Berge. Unsere Fahrgäste sollen sicher und bequem an ihr Ziel kommen und im neuen, modernen Rollmaterial wahre «Höhenflüge» erleben.

Mit dem Bundesamt für Landestopografie, swisstopo, war der richtige Partner für die Erarbeitung der Grafiken für die Höhenzüge bald gefunden.

Untypische Anfrage

swisstopo hat im Jahr 2013 Höhenprofile von 23 Bergen und Höhenzügen für die Flirt der 1. und 2. Generation erstellt. Die Auswahl gab die SOB damals vor: Im angestammten Liniennetz kennen sich die Mitarbeitenden aus und wissen, welcher Berg von wo aus sichtbar ist.

Für Adrian Böhlen, der sich dieser Aufgabe annahm, war die SOB-Anfrage sehr ungewöhnlich, da für die Umsetzung viele Berechnungen nötig waren. Aber der gelernte Kartograf, der seit über 20 Jahren für swisstopo arbeitet, kennt sich aus. «swisstopo ist das Amt, das der Geometrie verpflichtet ist», fasst er den Auftrag des Bundesamtes zusammen. Er ist es gewohnt, komplizierte technische und mathematische Berechnungen anzustellen. Zu seinen Hauptaufgaben gehören neben der Ausbildung von Geomatik-Lernenden (so die neue Berufsbezeichnung) die Erstellung von digitalen Panoramen.

Der Blickwinkel macht den Unterschied

Mit der Beschaffung des neuen Rollmaterials für den Fernverkehr führte die SOB die Idee für die Beschriftung der zehn silberfarbenen Flirt 3 weiter und griff diesmal bei der Auswahl der Berge auf die Unterstützung von swisstopo zurück. Hausberge wie der «Gurten» in Bern oder der «Calanda« bei Chur waren gesetzt (Lesen Sie dazu auch «Büne Huber gestaltet Flirt-Zug «Gurten» der Südostbahn künstlerisch» oder «Bern-Chur: Südostbahn nimmt Fernverkehrslinie «Aare Linth» in Betrieb»). Für die restlichen acht Berge machte Adrian Böhlen Vorschläge aus der Perspektive entlang der Linien des Treno Gottardo, von Aare Linth und der S6 von Rapperswil nach Linthal. Der Profi, der selber oft im Zug unterwegs ist, kennt die ganze Schweiz – und das nicht nur auf der Landkarte.

Die resultierenden Profile sollten so markant wie möglich zur Geltung kommen. Der Betrachtungswinkel ist entscheidend und beeinflusst das Abbild eines Berges. Bei freistehenden oder hohen Bergen entspricht das abgebildete Höhenprofil jeweils der Silhouette des Bergs. Bei grösserer Entfernung zur Bergkette handelt es sich um eine Horizont bildende Linie. Grundsätzlich gilt: Je grösser die Distanz zwischen der Bahnlinie und dem abgebildeten Berg, desto flacher wird die Darstellung.

Karten: Hilfreich und erst noch gratis

Zu den wichtigsten Produkten, die swisstopo erstellt, gehören Karten. «Auch gedruckte Karten haben heute noch ihre Berechtigung und sind sehr gefragt, obwohl es viele GPS-basierte Apps gibt.» Die wesentlichen Nachteile von Daten ab technischen Geräten sieht Adrian Böhlen darin, dass vor allem in den Bergen der Empfang nicht immer funktioniert. Ausserdem ist je nach Licht das Display schlecht lesbar und der Ausschnitt relativ klein. So werden gedruckte Landeskarten weiterhin produziert, grundsätzlich alle sechs Jahre angepasst und in einer nachfrageorientierten Auflage neu herausgegeben. Seit 2021 stellt swisstopo alle Daten zum Herunterladen kostenlos zur Verfügung. Auch die swisstopo-App ist gratis.

Veränderungen

«Die Oberfläche der Welt verändert sich ständig. Deshalb werden die Geodaten regelmässig aktualisiert», resümiert Adrian Böhlen. Dies kann ein natürliches Ereignis wie ein Bergsturz oder die Ausbreitung des Waldes auf bewirtschaftete Gebiete sein. Auch der Mensch schafft mit dem Bau von Strassen und Siedlungen regelmässig Veränderungen.

Durch die (neue) Art der Messmethoden können sich auch Karten verändern. So geschehen beim «Etzel», dem ersten mit einem Höhenzug beschrifteten Flirt, den der Schwyzer Regierungsrat Othmar Reichmuth im Jahr 2013 in Samstagern getauft hat. Die damalige offizielle Höhe des Etzel betrug 1 093 Meter. Heute sind es (wieder) 1 097 Meter. Dies hat damit zu tun, dass zwischenzeitlich ein sogenannter Triangulationspunkt auf den Karten eingezeichnet war, dieser aber nicht auf dem höchsten Punkt des Berges lag.

Seit 2014 wird die neue Landeskarte mit den Daten des topografischen Landschaftsmodells produziert. Diese Daten werden mittels digitalen Luftbildstreifen in sehr hoher Genauigkeit erhoben. Auch wurden Nachkommastellen nicht immer gleich gehandhabt; seit ein paar Jahren werden sie mathematisch gerundet.

Unternehmen Sie eine geografische Zeitreise und erleben/entdecken Sie die Schweiz zwischen 1844 und heute. (Der Höhe des Etzel wurde 1855 ff noch mit 1102 m angegeben.) map.geo.admin.ch

Einzigartig

swisstopo bietet auch Dienstleistungen auf Bestellung für Dritte an. So gibt es Anfragen von Privatkunden, die sich etwa das Panorama vor ihrem Ferienhaus auf eine Tafel drucken lassen oder jemandem mit einem solchen Bild ein Geschenk machen. Die Anfragen steigen stetig und haben sich im Jahr 2021 mehr als verdoppelt.

«Doch», so Böhlen, «eine vergleichbare Anfrage wie die der Südostbahn hat es vor 2013 nicht gegeben, und seither auch nicht mehr.»

So besitzt die Südostbahn nun 33 Flirt mit Namen von bekannten und weniger bekannten Bergen von A-Z, von A wie Alvier, Bristen, Calanda … Gurten … Pizzo di Claro, Vrenelisgärtli bis Z wie Zimmerberg.

Bahnfans

Und diese Höhenzüge fallen offenbar auf. Die Südostbahn erhält regelmässig Anfragen zur Einsatzplanung ihrer Höhenzüge. Die Liste mit den Namen aller Berge ist auf der SOB-Website ersichtlich.

Der grösste, aber wohl jüngste Fan ist Tobias Rhyner. Sein Grossvater «Grosvi» hat die SOB kontaktiert, weil er mit seinem Enkel alle beschrifteten Flirt fotografieren wollte. Gerade mal sieben Jahre alt, malt Tobias bereits seit über zwei Jahren regelmässig Bergprofile. Angefangen habe er laut Grosvi damit, die ganze Familie zu «löchern», wie all die Gipfel rund um seinen Wohnort Glarus heissen. «Kurz darauf hat er erste Zeichnungen gemacht. Zuerst die Glarner Berge aus dem Kopf, so wie er sie von zu Hause sieht», erinnert sich Grosvi, «später die SOB-Höhenzüge nach den Fotos im ‘Züglibuech’, das ich für ihn gemacht habe.»

Die SOB fand Tobis Geschichte so aussergewöhnlich, dass sie ihn und Grosvi nach Samstagern eingeladen hat, um bei der Beschriftung des nächsten Flirt dabei zu sein. Und Tobi weiss natürlich sofort, dass es sich dabei um Flirt 008 oder 010 handeln muss, da bei diesen beiden Zügen «nur» das Foto der Zugnummer in seinem Buch abgebildet ist.

Lieblingsberg

«Ich habe plötzlich gemerkt, dass die Züge, mit denen wir nach Hause fahren (S6, Anm. d. Redaktion), einen Namen haben», ereifert sich Tobi. Seither zähle er unterwegs keine Teslas mehr, sondern halte nach Zügen Ausschau, ergänzt Grosvi.

Nach seinem Lieblingsberg befragt, muss Tobi nicht lange überlegen: «Pizzo di Claro.» – Damit ergeht es ihm wie Adrian Böhlen, den diese Tessiner Gegend in ihrer wilden Unerschlossenheit besonders anzieht, ohne das erklären zu können. – Und die Höhe nennt Tobi auf den Meter genau: 2 727 Meter. Ob er bald einen neuen Favoriten haben wird, wird sich zeigen: Nach Vrenelisgärtli wird ein weiterer Glarner Gipfel, und erst noch der höchste, den letzten zu beschriftenden Zug zieren. Dass der Tödi 3 612 Meter hoch ist, weiss Tobi (natürlich) ebenfalls. Er kennt alle Höhen, auch wenn er deren Angaben noch nicht in Tausendern wiedergeben kann. Er zählt die Ziffern einzeln auf.

Ein kleines Mathegenie – beste Voraussetzungen für den Beruf des Geomatikers.

Text und Bilder: Claudia Krucker

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