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Umweltschutz auf Baustellen

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Wie bauen wir, dass unsere Bahnstrecke und ihre Umgebung seinen tierischen Anwohner und seinen Pflanzen vielfältige Lebensräume bietet? Mit dieser Frage beschäftigen wir uns bei jeder Baustelle. Antworten auf diese Frage liefert auch das Beispiel der Baustelle im Obertoggenburg von 2019.

Ein Wort ist in aller Munde: Biodiversität. Der Begriff steht für die Vielfalt, den Schutz und den Erhalt aller Arten von Pflanzen und Tieren sowie ihrer Lebensräume. Die Themen der Biodiversität sind mit- und untereinander eng und dynamisch verknüpft. Kurz erklärt heisst das: Jede Pflanze und jedes Tier braucht seinen geeigneten Lebensraum. Die Tätigkeiten unserer Bauarbeiten an den Gleisen haben ebenfalls Auswirkungen auf verschiedenste Lebensräume und fordern von unseren Projektleitern ein verantwortungsbewusstes Planen, damit Biodiversität und Bauen an unserer Infrastruktur Hand in Hand gehen. An erster Stelle braucht es das Bewusstsein und den Willen aller Beteiligten, sich dafür einzusetzen und diesen Lebensraum zu schützen oder ihn fachgerecht zu erweitern. Eine erfolgreich abgeschlossene Baustelle ist nur dann nachhaltig, wenn sie langfristig einen ökonomischen und ökologischen Nutzen stiftet beziehungsweise entsprechenden Schaden an der Natur vermeidet. Dies dient sowohl der SOB als Eigentümerin, weil sie nach den Bauarbeiten qualitativ wertbeständiger ist, als auch der Umwelt.

Mit Gesetzen Lebensräume schützen

Doch nur der gute Wille reicht nicht aus. Bund, Kantone und Gemeinden fordern deshalb in ihren Umweltgesetzen, dass Biodiversität vermehrt in Planung und Bau berücksichtigt wird. Das bietet den Projektleitern bei der SOB die Chance, mit einer entsprechenden und frühzeitigen Planung vielfältige Lebensräume zu schützen, zu verbessern oder neu zu schaffen sowie die Bedürfnisse von Tieren und Pflanzen zu berücksichtigen oder ihnen nachhaltig nachzukommen. Dazu definiert der zuständige Projektleiter zu Beginn eines Bauprojekts klare Zielvorgaben bezüglich Biodiversität. Diese sind als Bestandteil eines Bauprojekts im Plangenehmigungsverfahren (PGV) vom Bundesamt für Verkehr (BAV) vorgeschrieben und werden in der Gesamtplanung strategisch verankert. Die bundesrechtlichen Bestimmungen erfordern in jedem eingereichten Konzept ein Kapitel zu den Themen Umwelt-, Natur- und Heimatschutz. Um die Basis für eine korrekte Umsetzung der im PGV definierten Umweltschutzmassnahmen zu schaffen, begleiten fachkundige Umweltspezialistinnen und Umweltspezialisten die Bauarbeiten der SOB. Hierzu wird von den Spezialisten in einem ersten Schritt geprüft, welche Umweltvorschriften betreffend Tier und Pflanzen vorliegen, wie die SOB diese umsetzen kann und mit welchen Massnahmen diese erreicht werden.

Die Natur bestimmt die Bauplanung

Ein Beispiel zeigt die Grossbaustelle im Obertoggenburg. Hier erneuerte die SOB die Fahrbahn zwischen Wattwil und Nesslau-Neu St. Johann. Die an der Strecke liegenden Durchlässe des Geren-, Howart- und Rickenbachs sanierte die Südostbahn dabei nach den Vorschriften und Auflagen des Gewässerschutzes im erteilten PGV und unter Aufsicht der kantonalen Fischereiaufsichtsbehörde. Bei den Renaturierungs- und Sanierungsarbeiten an den Bachdurchlässen achtet man auf die Laichzeit der Fische. Um die Gewässer klar zu halten und damit den Laich zu schützen, planen unsere Projektleiter die Vor- und Hauptarbeiten im Sinne der Fische – also vor November und nach April. Weiter setzte die SOB ein Anliegen der Behörde zum Wohle der Fische unkompliziert und nachhaltig um. Um den Fischen in den strömenden Gewässern Ruhezonen anzubieten, müssen unsere Projektleiter gemeinsam mit dem Fischereiaufseher die ausgeschwemmte Bachsohle und schufen kleine Steininseln verbessern, um den Lebensraum der Bachbewohner zu optimieren. Die Ufer der genannten Bäche wurden naturnah bepflanzt und flacher gestaltet. Amphibien bieten die angepassten Flächen neu einen einfacheren Ein- und Ausstieg und durstigen Wildtieren eine gut erreichbare Wasserquelle. Auch hier hatte das Gesetz ein Auge auf die Bauarbeiten. Die Vorschriften verlangen, dass nach den abgeschlossenen Bauarbeiten mindestens zehn Prozent mehr ökologische Lebensräume geschaffen werden müssen als davor.

Wasseramsel – Vogel des Jahres 2017

Nach dem Neubau der Thurbrücke bei Ulisbach soll sich auch der Lebensraum der Wasseramsel verbessern – des wohl seltsamsten Singvogels der Schweiz. Die Wasseramsel kann schwimmen, klettern und fliegen, was keine andere der weltweit rund 4.000 Singvogelarten kann. Sie ist ungefähr 18 Zentimeter gross und 60 Gramm schwer, hat ein schwarzbraunes Federkleid mit weisser Brust und sucht ihr Futter bevorzugt unter Wasser. Der Toggenburger Verein «nathur» setzt sich dafür ein, den Lebensraum der Wasseramsel an der Thur bei Ulisbach zu erhalten. Die Mitglieder des Vereins engagieren sich für den Artenschutz mit dem Ziel, gesunde Lebensräume zu schaffen und der Bevölkerung die Schönheit und den Nutzen der Natur zu vermitteln. Während der Bauarbeiten an der Thurbrücke erhielt der Verein die Erlaubnis, artgerechte Nistkästen an der neuen Brücke zu montieren. Diese Nistkästen, die an geeigneten Stellen wie unter Brücken oder an Brückenpfeilern über dem Wasser platziert werden, werden von den Wasseramseln gerne angenommen.

Argusaugen beim Bauen

Während und nach den Bauarbeiten an der Thurbrücke und am Rickenbach wurde darauf geachtet, dass sich nicht nur Fische und Vögel wohlfühlen. Eine externe Umweltspezialistin begleitete das Projekt und stellte sicher, dass der Umweltschutz auf der rund sieben Kilometer langen Baustelle eingehalten wurde. Einige landwirtschaftliche Nutzflächen wurden temporär als Installationsplätze für Material oder Baumaschinen genutzt, wobei der Schutz von Tieren und Pflanzen im Vordergrund stand. Nach den Bauarbeiten mussten diese Flächen sorgfältig wiederhergestellt werden. Tiere wie Igel, Feldhasen, Rehe oder Füchse können sich relativ gut auf temporäre Störungen einstellen. Auch Biber wurden an der Thur gesichtet. Wenn es diesen Tieren zu ungemütlich wird, meiden sie die Lärmquelle. Jungvögel, die noch nicht so mobil sind wie ihre Eltern, wurden durch die Vorschrift geschützt, Böschungen nur ausserhalb der Brutzeiten zu roden. Diese Arbeiten wurden daher in die Wintermonate verlegt. Eine grosse Herausforderung bei der Planung der Bauarbeiten war, dass die Laichzeit der Fische und die Brutzeit der Vögel nicht im selben Zeitraum lagen. Die Umweltspezialistin stellte fest, dass alle Beteiligten sehr sorgfältig mit der Natur und den Tieren umgingen. Die zuständigen Unternehmen zeigten sich vorbildlich im Gewässerschutz. Auch die Wasseramsel kann sich dank der neuen Nistkästen über einen verbesserten Lebensraum freuen. Entlang der Bahnstrecke ist der Lebensraum vieler Tiere wieder ruhig und gesichert, dank der strengen Auflagen des Bundes und der sorgfältigen Bauarbeiten.

Text: Brigitte Baur, Fotos: Thomas Lutz

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