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Stein um Stein zum Traverso

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Fast täglich ist Marco Kasper im Traverso als Kundenbegleiter unterwegs. Seine Leidenschaft für die Südostbahn lebt er auch zu Hause weiter: Er sorgt dafür, dass der Traverso künftig als Lego-Modell unterwegs sein kann.

«Dark Orange» oder «Medium Nougat»? An dieser Frage hatte der SOB-Kundenbegleiter Marco Kasper einige Zeit zu knobeln. «Dark Orange» und «Medium Nougat» sind Bezeichnungen für zwei Farben von Lego-Steinen. Welche würde besser zu seinem neusten Bauprojekt, einem Lego-Traverso, passen? Der 47-Jährige hielt Steine an den kupferfarbenen Zug, befragte Kollegen aus der Kundenbegleitung und vom Lokpersonal. «Dark Orange» sollte es sein – doch zu Beginn des Baus merkte Kasper rasch: Der Lego-Traverso wird zu dunkel, also schwenkte er doch noch auf «Medium Nougat» um.

Immer grössere Projekte

Marco Kasper ist ein «AFOL», ein «Adult Fan of Lego» – jemand also, den die Faszination der Klemmbausteine nie losgelassen hat. War es als Kind noch ein Spiel, faszinierten ihn die Steine im Erwachsenenleben weiter. Bevor er eine Familie gründete, baute er eigene kleine Modelle – wie etwa den französischen Hochgeschwindigkeitszug TGV – gleich mehrfach, um sie fertig gebaut wieder weiterzuverkaufen. Die Projekte wurden grösser und grösser, inzwischen füllen sie nicht nur das Gästezimmer, sondern auch eine eigens angemietete Garage. Seine Frau kann sich inzwischen mit dem Hobby des Ehemanns abfinden, denn Lego-Bauen entspannt, und: «Dafür gehe ich nicht jeden Abend in die Beiz – da hat man auch ein leeres Portemonnaie, aber noch einen verrückten Grind dazu», sagt Marco Kasper.

Mit Originalplänen entwickelt

Während Marco Kasper den Bau des «Tower of London» oder des Bahnhofs «Kings Cross» – der Bahnhof besteht übrigens aus rund 250 000 Teilen – selbst am Computer geplant hat, holte er sich für den SOB-Traverso Unterstützung bei Zugdesignern. Der Österreicher Fabian Harms und sein Team der Firma Stone Heap bauen aus Lego ganze Eisenbahnlandschaften. Auf Basis der Originalbaupläne von Stadler hat er eine exklusive und fast massstabsgetreue «Lego-Übersetzung» in Form einer Schritt-für-Schritt-Anleitung geliefert. Im Gegensatz zu weiteren Anleitungen von Stone Heap gibt es jene des Traverso nicht zu kaufen.

Fast noch wertvoller als die Baupläne ist allerdings die dazugehörige Teileliste: «Damit konnte ich auf ‹Bricklink› automatisch bei Händlern und Sammlern weltweit nach den benötigten Teilen suchen», erklärt der Kundenbegleiter. «Bricklink» ist ein Marktplatz und Forum, das Lego-Enthusiastinnen und -Enthusiasten gründeten – und das inzwischen der Lego-Gruppe selbst gehört –, um Einzelteile aus Original-Legosets für eigene Modelle verfügbar zu machen. «In der Hochphase kamen täglich vier bis fünf Pakete mit Teilen aus aller Welt bei uns an», erinnert sich Marco Kasper. 75 Händler lieferten grössere und kleinere Mengen an Teilen nach Alpnach – die Herkunftsliste reicht von Mittel- und Osteuropa bis nach Alaska, Hong Kong und Neuseeland. Andere Teile orderte Marco Kasper in grossen Mengen bei Lego selbst – darunter auch viele Steine im begehrten «Medium Nougat».

Kompromisse bei den Fenstern

Zwar gehen diese bunten Teile rein mengenmässig ins Geld, doch richtig teuer sind die seltenen Stücke, die kaum in offiziellen Legosets vorkommen und deshalb auf dem Markt äusserst gefragt sind. Teuerstes Objekt am Traverso sind zwei Kufen, die den Stromabnehmer des Zuges abschliessen. «Eine einzelne Kufe wird für sechs bis sieben Dollar gehandelt», meint Kasper. Weil er für das Modell nur vier Stück braucht, ist das verschmerzbar. Kompromisse muss er dafür bei den Fenstern eingehen: «Weil Lego die drei Noppen breiten durchsichtigen Steine nicht mehr produziert, sind diese äusserst teuer.» Um das rund 3500 Franken teure Modell nicht noch kostspieliger zu machen, behilft er sich mit kürzeren Bricks. Umso genauer dem Original nachempfunden ist dafür der Farbübergang von Kupfer über Rot zu Schwarz an der Spitze des Zuges. Mit kleinsten schrägen Noppensteinen setzt der Lego-Enthusiast die exakten Linien um, ohne überstehende Elemente zu verwenden. Grössere Steine anzusetzen, wäre zwar einfacher, würde aber natürlich überhaupt nicht der Realität einer aalglatten Zugseite entsprechen.

Tüfteln für den Antrieb

Der fertige Lego-Traverso ist gut drei Meter lang. Ende Jahr soll es so weit sein, dass das Lego-Modell nicht nur ausgestellt, sondern auch auf passenden Schienen unterwegs sein kann. Bis dahin hat Marco Kasper aber noch einiges zu tüfteln: Welches ist der beste Antrieb für den achtteiligen Zug, fragt er sich. Und auf seinen Diensttouren entdeckt der Kundenbegleiter immer wieder ein Detail am echten Traverso, das er bei seinem Modell noch besser konstruieren könnte. «Der Übergang von der Frontscheibe zum Dach ist mir noch zu kantig», sagt Kasper und präsentiert sogleich ein passendes Teil, das er montieren könnte.

Trotz den vollen Schränken und den sortierten Teiletütchen für die Wagen ist klar: Ganz ohne weitere Bestellung wird Kaspar nicht auskommen, bis der Traverso perfekt ist. Und wenn das SOB-Projekt abgeschlossen ist, dann warten im Gästezimmer Tausende graue Lego-Blöcke auf Marco Kasper. Er hat sich nämlich schon die originalen Architektenpläne für das Davoser Eishockeystadion besorgt. Der Nachbau kann kommen.

Text: Conradin Knabenhans
Bilder: Conradin Knabenhans, Claudia Krucker

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