Vier Sonntage, vier Kerzen, vier Geschichten: Wir blicken zurück auf das SOB-Jahr 2023. Jeden Adventssonntag erzählen wir von speziellen und schönen Momenten im Eisenbahnalltag. Die Geschichte zum 1. Advent wird tierisch, mit einem Happy End.
«Das Schaf ist nun im Zug.» Eine solche Nachricht lesen die Mitarbeitenden der Betriebszentrale im System des Alarmierungs- und Ereignisassistenten (ALEA) wohl selten. Die Kolleginnen und Kollegen von Thurbo hingegen kennen solche Nachrichten, allerdings mit Kühen. Zurück zur Südostbahn.
Lokführer Roman fuhr an einem Montag im Oktober mit dem Voralpen-Express in Richtung Schindellegi-Feusisberg. Als er von der Betriebszentrale den Hinweis «Schafe im Gleisbereich» erhielt, reduzierte er die Geschwindigkeit. Kurz vor der besagten Stelle sah Roman bereits die entgegenkommende S-Bahn (S13) stillstehen. Er hielt den Voralpen-Express ebenfalls an, schaute aus dem Fenster und sah ein Schaf. Es stand mitten auf den Gleisen.
Da es sich «nur» um ein einzelnes Tier handelte – und nicht, wie gedacht, um eine ganze Herde – sicherte Roman das Fahrzeug, zog die Leuchtweste an und stieg aus dem Zug. «Ich hatte früher selbst Schafe. Ich kenne mich mit den Tieren aus», sagt Roman. Er näherte sich dem Schaf, dieses verhielt sich ruhig. Als Roman nahe genug am Tier war, packte er es und trug das Schaf zum entgegenkommenden S-Bahn-Zug. «Mach die Tür auf», sagt Roman zu Sebastian, dem Lokführer in der S13.
Sebastian öffnete etwas verwirrt die Zugtür. Roman stieg mit dem Schaf in die S-Bahn. Die sichtlich belustigten Mitreisenden boten sofort ihre Hilfe an. Roman besprach sich daraufhin mit Sebastian und so kam es, dass das Schaf bis nach Wädenswil auf dem Schoss eines Reisenden mitfuhr. «Es war blind», sagte Roman. «Das habe ich mir schon gedacht, denn das Tier hat sich sonderlich ruhig verhalten. Wahrscheinlich hat es sich auf der Alp mit der <Gämseblindheit> angesteckt. Es handelt sich um eine Binde- und Hornhautentzündung, die bis zur Erblindung führen kann. Das kommt bei Schafen oft vor», ergänzt der Lokführer.
Als das Schaf sicher beim Mitreisenden platziert war, informierte Sebastian die Betriebszentrale: «Das Schaf ist nun im Zug.» Die beiden Lokführer setzen ihre Fahrt fort. Das Schaf reiste mit der S13 nach Wädenswil und mit demselben Zug zurück bis nach Samstagern. Den Rückweg verbrachte das Schaf in der Zugtoilette. In der Zwischenzeit wurde der Besitzer ausfindig gemacht. In Samstagern konnte der ungewöhnliche Passagier somit den Zug wieder verlassen und zum Besitzer zurückkehren. Für Roman war von Beginn an klar: «Wegen einem einzigen Schaf machen wir kein Theater.»
Text: Jeannine Fisch
Bilder: KI, Adobe Firefly