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Podcast: Wie funktioniert ein Anschluss?

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Warum kann mein Zug nicht warten? Wie wird die Umsteigezeit am Bahnhof berechnet? Und wer entscheidet bei Verspätungen, ob ein Zug warten kann? Die SOB-Fachspezialisten Nik und Daniel beantworten diese und weitere Fragen rund um die Anschlüsse im Bahnverkehr.

Wer von Herisau nach Zürich fahren will, muss einmal umsteigen. Die Reisenden sind deshalb auf einen Anschluss angewiesen. Was alles nötig ist, dass ein Anschluss funktioniert, darüber sprechen Zugverkehrsleiter Daniel Wettmann und Nik Schrama, Fachspezialist Produktionssteuerung in einem Live-Gespräch mit Conradin Knabenhans, Mediensprecher der SOB, am Bahnhof Herisau. Dazu liefert dieser Blogartikel sieben Fragen und Antworten rund um das Thema Anschlüsse:

Gespräch als Video auf Youtube:

Gespräch als Podcast zum Nachhören:

Was braucht es, damit ein Anschluss im Fahrplan erscheint?

Für jeden Bahnhof der Schweiz ist eine Umsteigezeit definiert. Die Umsteigezeit ist eine bestimmte Anzahl Sekunden, die zwischen der fahrplanmässigen Ankunft eines Zuges und der Abfahrt des Anschlusszuges eingehalten werden muss. Die definierte Umsteigezeit ist abhängig von der Grösse des Bahnhofs.

Für den SOB-Bahnhof Herisau beträgt diese Umsteigezeit 120 Sekunden, bzw. 180 Sekunden für eine Umsteigeverbindung zwischen den Normalspurgleisen der SOB und den Schmalspurgleisen der Appenzeller Bahnen. Bei einem grossen Bahnhof ist die Umsteigezeit grösser: Am Hauptbahnhof Zürich sind es grundsätzlich sieben Minuten – Ausnahmen gibt es bei den direkten perrongleichen Anschlüssen in den unterirdischen Bahnhofsteilen Löwenstrasse und Museumstrasse.

Was passiert bei einer Verspätung: Fährt mir der Zug dann wirklich vor der Nase weg?

Der Entscheid von Abwarten oder Abfahren – also dem Anschlussbruch – läuft so gut wie immer vollautomatisch in den Betriebszentralen der Infrastrukturbetreiberab.Weder der Lokführer noch das Kundenbegleitpersonal hat die Aufgabe sicher zu stellen, dass verspätete Anschlussreisende umsteigen können. Was im ersten Moment überraschend klingt, leuchtet rasch ein: In vielen Bahnhöfen wäre es für das Personal gar nicht zu überblicken, ob und wann ein Zubringer angekommen ist. Ausserdem hat weder der Lokführer noch der Kundenbegleiter Kenntnis der detaillierten betrieblichen Situation: Ein Anschluss kann nur dann sichergestellt werden, wenn es aus Sicht der gesamten regionalen und nationalen Fahrplanstabilität möglich ist, zu warten.

Wie viel Verspätung darf ein Zug haben?

Für jeden Zug ist im System individuell definiert, wie viele Sekunden der Anschluss maximal warten kann. Ziel der Wartefrist ist, den Bahnverkehr insgesamt über das ganze Netz möglichst pünktlich und stabil zu halten. Zwar profitieren bei einer langen Wartefrist alle Reisenden, die genau diese Verbindung nehmen wollen. Viele andere Reisenden, die sich bereits im Anschlusszug befinden oder im späteren Verlauf dieses Zuges auf ein pünktliches Verkehren angewiesen sind, werden dadurch verlieren. Am späten Abend oder an Wochenenden können grössere Wartefristen definiert sein, weil ausserhalb der Hauptverkehrszeiten eine Verspätung besser aufgefangen werden kann oder gar die letzte Verbindung an die Zieldestination sichergestellt werden muss.

Wie funktioniert das in einem konkreten Beispiel?

In Herisau kommt ein Reisender mit den Appenzeller Bahnen von Wasserauen her und möchte auf die S4 der SOB umsteigen. Der Zug aus Wasserauen hat aufgrund einer Störung eine Ankunftsverspätung von 10 Minuten, d.h. die Ankunft wäre neu zur Minute 40 statt 30. Die S4 Richtung Wattwil, Uznach fährt fahrplanmässig zur Minute 36. Angenommen, der Anschluss würde gehalten: Die S4 könnte neu zur Minute 43 abfahren, da den Reisenden drei Minuten zum Umstieg zugestanden wird.

Zur Minute 43 kann die S4 aber nicht mehr abfahren. Sie hat ihr reserviertes Trassee verloren. Denn auf der Einspurstrecke zwischen Schachen und Herisau ist nun der Voralpen-Express Richtung St. Gallen unterwegs. Falls der VAE länger in Schachen auf die verspätete S4 warten würde, so würde dies zu Anschlussbrüchen der Reisenden aus dem Voralpen-Express in Herisau und St. Gallen führen. Die S4 müsste folglich warten und noch später in Herisau abfahren. Bis nach Uznach würde sie ihre Verspätung jedoch nicht mehr aufholen können. Es würden verschiedene Anschlüsse auf Busse unterwegs gebrochen. In Uznach wiederum werden Reisende Richtung Rapperswil nicht auf die S6 umsteigen können. Nach der Wende der S4 in Uznach wird verspätet Richtung Ziegelbrücke losgefahren und somit die Verspätung auf die S4 der Gegenrichtung ab Ziegelbrücke weitergegeben. Dieser Fall zeigt auf, dass die Zahl der Gewinner beim übermässigen Abwarten des Anschlusses viel kleiner ist als die Zahl von Reisenden mit einem Anschlussbruch. Daher ist eine maximale Wartefrist definiert. Im genannten Beispiel liegt die mögliche Verspätung der Appenzeller Bahnen bei rund 5 Minuten.

Wie werden die Anschlusszeiten für einen Bahnhof genau berechnet?

Die Anschlusszeit beschreibt die genaue Sekundenzahl, die einem Reisenden aus einem verspäteten Zubringer mit Ankunft auf einem Gleis X zum Umstieg auf den Anschlusszug in Gleis Y zugestanden wird. Im Vergleich zur Standard-Anschlusszeit im kommerziellen Fahrplan, gibt es hier für jede Gleiskombination unterschiedliche Zeiten.

Die Berechnung der Anschlusszeiten geschieht nach klaren Richtlinien:

  • Festlegung der typischen Zuglänge pro Gleis (Regelverkehr/Hauptverkehrszeit)
  • Typische Zeit für Zugsausstieg
  • Typischer Weg am Perron (es wird nicht der volle Weg angenommen)
  • Typische Gehgeschwindigkeit 1.2m/s respektive 4.32 km/h. (kein freies Gehen, da Hauptverkehrszeit)
  • Zeit für Zugang 1 (Treppe/Rolltreppe/Rampe), Querung (Unter-/Überführung), Zugang 2
  • Einstieg (ohne Weg auf Perron, Einstieg gleich am Zugang)
  • Allenfalls «Stauzuschläge» für bestimmte Bahnhöfe

Es kann jedoch nicht alles berücksichtigt werden. Die tatsächliche Länge des Zuges oder der effektive Fahrzeugtyp sind nicht berücksichtigt, obwohl dies für den Umsteiger von Bedeutung ist. Ausserdem wird bei der Festlegung der Anschlusszeiten angenommen, dass die Umsteigerin eine ortskundige Pendlerin ist, die sich bewusst ist, dass sie schnell umsteigen muss, um den Anschluss noch zu erreichen? Als Tipp: Im Online-Fahrplan können, falls gewünscht, längere Umsteigezeiten – mindestens 10 Minuten oder mehr – definiert werden.

Kann bei Anschlüssen nirgends ein Mensch eingreifen?

Die automatisierten Entscheidungen können jederzeit manuell übersteuert werden. Dies funktioniert etwa so: wenn der Kundenbegleiter im Zug beispielsweise auf viele Reisenden stösst, die auf eine bestimmte Anschlussverbindung angewiesen sind und gewisse Kriterien erfüllt sind, so kann er in seinem mobilen Arbeitsgerät eine Anschlussanfrage stellen. Diese wird von einer Leitstelle des Personenverkehrs erstbeurteilt und je nach Entscheid an die zuständige Infrastrukturbetreiberin – auf dem SOB-Netz die Betriebszentrale in Herisau, unabhängig davon, ob es sich um einen SOB-, SBB- oder Thurbo-Zug handelt – weitergeleitet. Diese kann z.B. abweichend von den Vorgaben die Wartefrist ausdehnen und einen Anschluss manuell halten.

Die Betriebszentrale hat dabei die Auswirkungen auf das restliche Netz im Blick und entscheidet mit dem Fokus Kundennutzen. In den Systemen wird dann dafür gesorgt, dass sowohl alle Kundeninformationskanäle als auch die Zuglenkung aktuell sind. Das Ausfahrsignals des Anschlusszuges wird nun erst nach der verspäteten Ankunft und dem Ablauf der Anschlusszeit auf Fahrt gehen. Die Reisenden werden vom Kundenbegleiter im Zug informiert, dass der Umstieg klappt und dass sie rasch umsteigen müssen.

Wird gemessen, wie viele Anschlüsse funktionieren?

Ja, die Anschlussquote ist neben den verschiedenen Kennzahlen zur Pünktlichkeit eine zentrale Messgrösse für die Produktionsqualität im Personenverkehr. Die SOB kennt alle Zahlen, kennt die Quoten pro Bahnhof und pro Anschlussbeziehung. Dabei wird zwischen der Quote mit SOB-Zügen als Anschlüsse (Wert im laufenden Jahr: 98.9% der Anschlüsse funktionieren) und der Quote mit SOB-Zügen als Zubringer (99.21%) unterschieden.

Text: Nik Schrama/Conradin Knabenhans
Video-/Audioproduktion: Jeannine Fisch, Jil Rietmann, Sina Rechsteiner

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