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Dieser Gurten ist ein Kunstwerk

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Ein aussergewöhnlicher Flirt der Südostbahn ist auf dem Schienennetz unterwegs. «Patent Ochsner»-Frontmann und Künstler Büne Huber hat den Zug nicht nur künstlerisch umgestaltet, sondern hat ihn auch auf den Namen «Gurten» getauft.

Er sorgt nicht nur musikalisch für die richtige Mischung und die nötige Würze: Sänger und Künstler Büne Huber ist auch kulinarisch ein Geniesser. Kein Wunder also, ist das Kochen in seinen Bildern und Skizzen häufig ein Thema. Doch die Werke im vordersten Wagen eines SOB-Flirts stehen in starkem Kontrast zur kulinarischen Verführung. Die Dose Aromat passt ebenso wenig ins Bild des lukullischen Genusses wie die Fertiglasagne und der Wein aus dem Tetrapak. Mit feinsinnigem Humor kommentiert Huber die Fertigprodukte: «In der Küche macht sich ein Hauch von Bologna breit», flachst er über die Lasagne und beim Schweizer Universalgewürz Aromat meint er: «Letztlich ist halt alles doch nur eine Frage der richtigen Würzmischung.» Hubers Gedanken sollen die Reisenden im SOB-Flirt zum Nachdenken anregen und zum Schmunzeln bringen.

Drucken, messen, kleben

Doch damit dies gelingt, sind ein paar weitere Zutaten nötig. Die Bilder müssen gedruckt, gemessen, geklebt, gestrichen, gerollt und geföhnt werden. Rund 250 solcher Kunstfolien hat das Team der Beschriftungsfirma Devita in zwei Arbeitstagen angebracht und mit viel Fingerspitzengefühl dafür gesorgt, dass jedes einzelne Werk perfekt zur Geltung kommt. So ist aus einem normalen Flirt der 3. Generation im Innern ein fahrbares und begehbares Kunstwerk des Frontmanns der Band «Patent Ochsner» und Künstlers Büne Huber geworden. Hubers Aromat-Döschen ist das letzte Bild aus einer ganzen Reihe von Gemälden, Skizzen und Songtextzitaten, die im Flirt ihren Platz finden.

Produktmanager legt sich ins Zeug

Bei der Montage dieses letzten Bildes ist auch Filip Flüeler mit dabei. Der SOB-Produktmanager für die Interregio-Verbindung Aare Linth hatte in den Wochen vor der Montage der Bilder im Zug allerdings keine Zeit für philosophische oder gar existenzielle Gedanken, wie sie sich in Hubers Bildern verstecken. Wenige Wochen zuvor hatten ihn und das Flottenmanagement der Südostbahn noch ganz praktische Fragen umgetrieben. Etwa, welche Art von Folie für die Kunstbilder im Zug am besten aussehen würde. Denn Folie ist nicht gleich Folie: Solche mit weisser Grundierung und knalligen Farben oder etwas mattere, aber dafür transparente? «Mit der Folie das Weiss der Innenwand im Zug zu treffen, wäre fast nicht möglich», sagt Flüeler. Er hat sich deshalb für den Einsatz von transparenten Folien als «Leinwand» für Büne Hubers Bilder entschieden.

Einen Tag bevor Büne Huber «seinen» Zug erstmals sehen wird, ist Filip Flüeler im Service-Zentrum der SOB in Herisau noch mit praktischen Dingen beschäftigt. Er koordiniert die letzten Details für die Zugtaufe, organisiert eine Lieferadresse für Reservefolien und legt sich auf den Zugboden, um für das Video der SOB-Unternehmenskommunikation die Toilettentüre unsichtbar aufzuschieben. Es scheint fast so, als würden die praktischen Dinge von der Anspannung und der Frage ablenken, ob Büne Huber «sein» Zug auch tatsächlich gefallen wird.

Künstlerische Markenwelt

Dass ein Flirt zur fahrenden Kunstgalerie wird, das ist Büne Huber und einem Zufall zu verdanken. Die Südostbahn arbeitet bei der Vermarktung ihrer Linien mit einer Agentur zusammen, die auch das Projekt «MTV Unplugged» von «Patent Ochsner» betreut. In einem Gespräch kam von Büne Huber dann die Idee, einen Zug mit seinen Skizzen, Zeichnungen und Gemälden zu bespielen. «Lange überlegen mussten wir nicht, ob wir diese Idee realisieren wollen», erklärt Reto Ebnöther, Leiter Marketing und Vertrieb der Südostbahn.

Unkonventionell, mutig, kreativ und offen für künstlerische Aktivitäten: Aspekte, die der SOB in ihrem Auftritt schon länger wichtig sind. Für die Markenwelt rund um die touristischen SOB-Linien – Voralpen-Express, Treno Gottardo und Aare Linth – hat etwa die Künstlerin Iuna Tinta (mit richtigem Namen Corinne Weidmann) zum Pinsel gegriffen und den Fernverkehrszug Traverso in gemalten Landschaften in Szene gesetzt. Die ausgebildete Grafikerin knüpfte dabei gestalterisch an die traditionellen Reiseplakate an, die gerade in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts allgegenwärtig waren.

Büne Huber hatte bei seinem Werk im Flirt viel Freiheiten. Er hat aus seinem grossen Fundus an eigenen Malereien und Skizzen passende für den SOB-Zug zusammengestellt. «Lukas the Lokomotivführer is watching you» steht so etwa auf einer Textzeile neben der Überwachungskamera. Ausgewählt hat sie zwar Büne Huber selbst, aber auch Reto Ebnöther und Filip Flüeler mussten Hand anlegen. Denn so sagt Büne Huber: «Ich hatte eine Unmenge solcher Objekte und habe mich dann ganz einfach vor der Arbeit gedrückt und letztlich die Auswahl anderen überlassen.»

Es kann nur der Gurten sein

Seit der Montage des letzten Bildes sind keine 24 Stunden vergangen und Büne Huber steigt am Bahnhof Ziegelbrücke in den Extrazug ein. Diese Sonderfahrt bringt den Künstler nach Glarus, wo er sein Werk präsentiert – und den Zug auf den Namen «Gurten» tauft. Der Berner Hausberg passt zur neuen SOB-Linie Aare Linth und zu den «Höhenzügen», also Namen von Berggipfeln und Hügeln, die die SOB-Flirts seit der ersten Generation schmücken. Aber der Gurten passt eben auch zu Büne Huber und seiner Band «Patent Ochsner».

Wer die Band schon einmal am Gurtenfestival gesehen hat, weiss spätestens beim Anstimmen des Überhits «Scharlachrot»: Huber, die Ochsners, der Gurten und Bern, das ist eines. «Dass der Zug auch noch auf den Namen Gurten getauft wird, auf den Ort, an dem wir unsere legendärsten Auftritte hatten, freut mich natürlich ganz besonders.» Entscheidend für die Namensgebung ist, dass die Gipfel entlang einer SOB-Linie liegen. Das Höhenprofil des Berner Hausbergs ist vom Bundesamt für Landestopografie swisstopo aus der Perspektive der Bahnreisenden bei der Einfahrt in den Bahnhof Bern vom Lorraineviadukt aus gezeichnet worden.

Hubers charmante, philosophische und vor allem einnehmende Art lässt niemanden kalt. Die Bilder und Sprüche für seine Kunst entspringen förmlich seinen Alltagsgedanken. Und so erstaunt es auch niemanden, als er in Glarus aus dem Führerstandfenster «seines» Zuges winkt und breit grinsend sagt: «Dä bini säuber gfahre!»

Text: Conradin Knabenhans
Bilder: Manuela Matt, Conradin Knabenhans

Das ist «MTV Unplugged»

Grosse Songs, im kleinen Rahmen, unverstärkt: Das ist die Idee der Konzertreihe «MTV Unplugged». 1989 ins Leben gerufen, gilt sie bis heute als Ritterschlag in der internationalen Musikszene. Büne Huber und seine Band «Patent Ochsner» ist die erste Schweizer Band überhaupt, die ein «MTV Unplugged»-Album produziert. International wurden Musikgrössen wie Nirvana, Bruce Springsteen, Bob Dylan oder Udo Lindenberg bereits mit einem «MTV Unplugged»-Album geehrt.

Hier gibt's die schönsten Momente des «MTV Unplugged»-Konzerts im Casino Bern zu sehen. Wer hinter die Kullissen schauen will, erfährt in der Sendung «Patent Ochsner – Eine Reise durch die Vergangenheit in die Zukunft» wie sich die Band auf die Konzertreihe vorbereitet hat.

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