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Diese Modelleisenbahnanlage ist ein Einzelstück: Sogar die Lokomotivräder baut Heiri Schmid selber

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Heiri Schmid hat von A bis Z eine eigene Modelleisenbahnanlage gebaut: Das Sitterviadukt im Massstab 1:45 inklusive. Er hat einen besonderen Bezug zur Strecke: Schmids Vater und Sohn haben bei der Südostbahn als Lokführer gearbeitet.

Eine Lokomotive und ein paar Schienen aus dem Modellbahnkatalog? Nein, das ist für Heiri Schmid nichts. Der 69-Jährige baut seine Lokomotiven, Wagen, Weichen oder Schienen lieber selbst. Der gelernte Maschinenschlosser hat im Dachgeschoss einer Scheune in Arnegg (SG) seine Modellbahnwelt aufgebaut. 315 Meter Gleis im Massstab 1:45 (Spur 0) führen auf mehreren Ebenen über den Dachstock.

Beeindrucken manche Modellbahnanlagen durch den originalgetreuen Nachbau von Bahnhöfen oder einer fast nicht enden wollenden Detailverliebtheit, begeistert Schmids Anlage auf einer ganz anderen Ebene. Nichts auf dieser Anlage gibt es «ab Stange» zu kaufen: Die Schienenprofile hat er selbst auf Holzbrettchen geklebt, die Schwellen entstehen aus Buchenholz aus dem Wald. Die Weichen entstehen mit allen Schaltmechanisem selbst – bei 77 Weichen gibt es gerade einmal 14, die nach gleichem Mass gebaut sind. Und auch bei den Lokomotiven und Wagen baut Schmid durchwegs alles selbst. Er kauft einzig Motoren, Zahnräder, Kugellager und Messingblech ein, danach schneidet und fräst er  jedes noch so kleine Teil selbst zurecht. Das beginnt bei den grossen Seitenwänden, führt über die Räder bis hin zu den Griffen und Haltestangen am Fahrzeug.

«Pro Lokomotive benötige ich rund 1000 Teile und 1000 Stunden», erzählt der passionierte frühere Berufsschullehrer. Die selbst gebaute Sammlung umfasst 17 Lokomotiven, 12 Personenwagen und 28 Güterwagen. Schmid verfügt über eigens geschreinerte Transportboxen, damit er sie sicher von Arnegg zu sich nach Hause in seine Werkstatt nach Zug transportieren kann.

Eine Rangierlok machte den Anfang

Schmid hat Lokomotiven und Wagen über die Jahre gebaut. Angefangen hat alles mit der Rangierlok Ee 3/3, die er als Sekundarschüler gemeinsam mit seinem Vater baute.

Danach folgte eine Re 6/6, die bei der Maschinenfabrik Oerlikon – wo Schmid seine Lehre machte – im Original als Prototyp gebaut wurde. Er wettete damals, die Lok vor dem Original auf die Modellbahnschienen zu bringen. Das gelang ihm im ersten Anlauf nicht. Doch Schmid erinnert sich, wie sich der grosse Prototyp bei einer der ersten Fahrten in einer Kurve verklemmte und nachgearbeitet werden musste. Das passierte Schmids Modelllok dank einer cleveren Anpassung des zweigeteilten Lokomotivkastens nicht – und so gewann Schmid seine Wette eben doch noch.

Über viele Jahre war dann Baupause. Weil ihm der Platz für eine Spur 0-Anlage fehlte, hatte er eine kleinere H0-Anlage angelegt. Als sein Vater dann pensioniert wurde, suchte dieser eine Beschäftigung. Heiri Schmid zeichnete die Pläne, sein Vater baute. Erst viele Jahre später sorgte Heiris Sohn Christian mit der Suche nach einem passenden Raum dafür, dass für die vielen entstandenen Lokomotiven und Wagen auch eine Anlage gebaut werden konnte. Seit 2011 baut Heiri mit der Familie nun an seinem Werk.

Vater und Sohn arbeiten für die SOB

Vater Heinrich und Sohn Christian waren für die Anlage prägend: Denn beide waren und sind als Lokomotivführer für die Südostbahn (respektive die Bodensee-Toggenburg-Bahn) tätig – teilweise gar mit den gleichen Zügen und Lokomotiven. Davon zeugen zwei Fotos an der Wand, die Vater und Sohn mit ihren Zügen in derselben Kurve bei Nesslau-Neu St. Johann zeigen.

Die Verbundenheit zur Südostbahn zeigt sich aber auch beim raumeinnehmenden Brückenbauwerk: Ebenfalls im Massstab 1:45 hat Schmid das Sitterviadukt nachgebaut. Majestätisch wirkt das Bauwerk selbst in der Miniatur, wenn der nachgebaut SOB-Flirt – ebenfalls ein Eigenbau – über die Brücke fährt. Einzig bei den Vorlandbrücken zum Sitterviadukt musste Schmid etwas tricksen: Ein Brückenpfeiler wäre nämlich direkt im Durchgang zum Schaltpult zu stehen gekommen. Ein klein wenig wurmt es den Perfektionisten schon, dass er diesen Massstab nicht exakt einhalten konnte.

Steuerung selbst programmiert

Weil sich Schmid in seinem Berufsleben stets weiterbildete und als Berufsschullehrer auch im Bereich der Robotik unterrichtete, erstaunt es nicht, dass nebst den Lokomotiven auch die Anlagensteuerung selbst gebaut ist. Auf einem alten Atari-Computer von 1986 läuft seine Steuersoftware, die er entwickelt hat. Kommen Weichen oder Signale dazu, schreibt Schmid ein paar neue Zeilen Code.

An der Anlage können über zwei kleine Steuergeräte das gewünschte Fahrzeug und die gewünschte Zieldestination – alle Gleise verfügen über Nummern für das Einstellen von Fahrstrassen – eingegeben werden. «Die Steuerung ist so gemacht, dass sie auch meine sechs Enkel bedienen können», betont Schmid. Werden die Gleisnummern eingestellt, sucht sein Computer die beste Fahrmöglichkeit heraus und stellt die Signale entlang der Strecke entsprechend – reglementskonform, versteht sich.

Nur wenige haben bisher Schmids Modellbahn betrachten können. Denn für ihn ist die Anlage ein Familienhobby. Massstabsgetreu sind die Wagen zwar gebaut, einige verfügen aber über kreative Lackierungen: Seine Enkel dürfen die Farbgestaltung der Wagen nämlich bestimmen. «Die Kinder malen die Vorlage auf Papier aus und ich lackiere sie entsprechend.» Diese Kreativität ist es denn auch, die Schmid von manch einem Modellbahnclub abschreckt: «Ich habe bei einem Clubbesuch mal erlebt, wie sich ein Lokbesitzer nach einer Entgleisung mit dem Streckenbauer stritt und gar mit dem Rechtsanwalt drohte.» Und der 69-Jährige führt lachend an: «Auf meiner Anlage streitet höchstens Heiri der Lokbauer mit Heiri dem Streckenbauer.»

Rangieren, rangieren, rangieren

Das heisst aber nicht, dass es auf Schmids Anlage bei aller Kreativität keine Regeln gäbe. «Isebähnle», wie es die meisten Kinder kennen – von Hand die gewünschten Wagen in einem Bahnhof zusammenstellen und danach wild losfahren – gibt es auf der Anlage nämlich nicht. «Bei uns wird rangiert, bis alle Wagen am richtigen Ort stehen.» Fahrstrasse um Fahrstrasse wird dann eingestellt. «Da sind wir gut zwei Stunden dran, bis wir richtig loslegen können», sagt der Modellbauer.

Dampflokomotive geplant

Schmid hat noch eine ganze Liste von Plänen für seine Anlage: Aktuell entsteht die Dampflokomotive C 5/6. Dafür organisiert sich der 69-Jährige Pläne und misst wo nötig gleich am Original aus. Weil die Dampflokomotive im Verkehrshaus steht, ist das einfach. «Ich musste mir aber auch schon Zutritt zu Werkstätten organisieren, um jedes Detail an einem Fahrzeug erkennen zu können.» Dem Zufall überlässt Schmid bei seiner Anlage nichts.

Text und Bilder: Conradin Knabenhans

Zahlen und Daten zur Anlage

Gleislänge: 315 Meter (davon 200 Meter sichtbar)
Bahnhöfe: 3
Weichen: 77
Signale: 44
Steigung oberer Teil: 42 Promille
Steigung unterer Teil: 25 Promille
Lokomotiven: 17
Personenwagen: 12
Güterwagen: 28

Bauwerke:
Sitterviadukt, Herisau-St. Gallen
Thurbrücke, Frauenfeld-Weinfelden
Rheinbrücke, Schaffhausen
Weissenbachbrücke, Degersheim
Thurbrücke, Lichtensteig
Baltschiederbrücke, Eggerberg

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