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Wie die SOB-Züge dank Sand vorwärts kommen

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Laub, Nebel, Raureif, Eis, Flugschnee, Blütenstaub oder Tau wirken auf unseren Schienen wie Seife. Zugsräder finden kaum Halt, und insbesondere auf den 50-Promille-Strecken kann es bei Beschleunigungs- oder Bremsmanövern rutschig werden. In solchen Momenten ist das Fingerspitzengefühl unserer Lokführerinnen und Lokführer gefragt.

Den Zügen geht es dabei nicht anders als uns Menschen, wenn wir mit profillosen Schuhen über eine Eisfläche gehen. Sie finden einfach keinen oder nur wenig Halt. Im Bahnjargon spricht man dann von schlechter Adhäsion. Um diese zu verbessern, greift unser Lokpersonal zu einem einfachen Mittel: Es streut Sand. Nicht von Hand, sondern durch ein Sandrohr, das im Radbereich angebracht ist und das den Sand mithilfe von Luftdruck direkt zwischen das Rad und die Schiene rieseln lässt. Dabei braucht es gar nicht viel. Schon eine Handvoll Sand kann einem 319 Tonnen schweren Traverso helfen, den Halt wieder zu finden und vorwärtszukommen.

Geratter und Geruckel

Wenn sich das Motorengeräusch verändert und es mehr pfeift und rattert als sonst, weiss Michael Müller, Lokführer der SOB, dass es Zeit ist, den Sanderknopf im Führerstand zu betätigen. «Wir sehen es den Schienen nicht zwingend an, ob sie rutschig sind. Dafür spüren wir es umso mehr, wenn die Räder keinen guten Schienenkontakt mehr haben.» Auch den Reisenden im Zug bleibt das nicht verborgen. Der Zug ruckelt, und die Beschleunigung verläuft unregelmässig. Gerade die neuen, stark beschleunigenden Fahrzeuge benötigen mehr Sand. Der Effekt ist der gleiche wie bei Autos mit starken Motoren: Wenn die Fahrer zu schnell beschleunigen, drehen die Räder durch. Das kann auch bei Zügen passieren. Zum Beispiel dann, wenn unsere Frauen und Männer im Führerstand den Zug schnell auf die gewünschte Geschwindigkeit bringen, weil sie knapp oder sogar zu spät unterwegs sind. Dann hilft oft nur noch Sand, um den Fahrplan einzuhalten.

Altes Prinzip für moderne Fahrzeuge

Ob eine Lok oder ein Triebzug über einen Sander verfügt, lässt sich einfach feststellen. Von aussen kann man die Sandtankdeckel sehr gut erkennen. Sie sehen aus wie Tankdeckel an Autos. An den Rädern darunter sind die Sanderrohre angebracht. Beim «Flirt» gibt es pro angetriebenes Drehgestell vier und beim «Traverso» – je nach Motorendrehgestell – zwei oder vier Sanderrohre. Beispielsweise sind an einer Voralpen-Express-Komposition insgesamt zwölf Sanderrohre angebracht – allerdings sind jeweils nur sechs davon im Einsatz. Ein Sanderrohr kann nur in einer Fahrrichtung die Funktion des Sandens übernehmen. Darum ist meist auf beiden Seiten des Rades ein Sanderrohr verbaut. Die SOB-Flotte ist heute komplett mit Sandern ausgestattet. Und das ist auch nötig: Als «Berg-und-Tal-Bahn» müssen die SOB-Züge zwischen Wädenswil–Biberbrugg, Pfäffikon–Samstagern und Arth-Goldau–Steinerberg 50 Promille überwinden.

Hier Sand, da nicht

Die mehreren Tonnen Sand, welche die SOB verwendet, sammelt sich mehrheitlich im Schotterbett. Das Lokpersonal ist angehalten, den Sander so wenig wie möglich und massvoll zu verwenden. Gerade im Bereich von Weichen kann der Sand zusammen mit dem Fett die beweglichen Teile verschmutzen, sodass diese häufiger gewartet werden müssen. Alternativ zum Sand kann das Lokpersonal die Zugkraft des Fahrzeugs reduzieren. Dadurch erhalten die Räder die Gelegenheit, den Kontakt zu den Schienen herzustellen. «Eine sanfte und gefühlvolle Bedienung des Zugs verringert den Sandverbrauch», meint Michael.

Text und Fotos: Denise Debrunner

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