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Georg und die Sauberkeit an den SOB-Bahnhöfen

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Der Bahnhof ist eine Visitenkarte der Südostbahn. Neben dem edlen Rollmaterial, das durch den kupferfarbenen Überzug glänzt und mithilfe der richtigen Reinigung noch mehr strahlt, haben es Bahnhöfe deutlich schwieriger zu punkten. Bahnhöfe sind Treffpunkt unterschiedlicher Menschen, die kommen, gehen und einiges hinterlassen. Bahnhöfe sind ein Warteraum, ein Umschlagplatz mit einem Betonboden und Raucherzonen.

Es rumpelt in der öffentlichen Toilette am Bahnhof Herisau. Die Tür steht offen und der Putzwagen davor. In leuchtoranger Kleidung nimmt Georg Berisha den WC-Boden auf. «Heute ist wie Ferien», grinst Georg. Gestern war die Toilette in einem üblen Zustand. Gekonnt entfernt er den Mopp vom Stiel, ohne die schmutzige Seite zu berühren, und zack landet dieser auf dem Putzwagen bei den anderen gebrauchten Lappen. Die frischen sind in Boxen auf dem Putzwagen: blaue Lumpen für Spiegel und Fenster, grüne für Ablageflächen und rote für sanitäre Einrichtungen.

Nicht putzen, sondern reinigen

Es ist ungefähr acht Grad und noch dunkel. Ein lautes Husten durchdringt die morgendliche Stille am Bahnhof. Ein Mann auf der gegenüberliegenden Perronseite spuckt unüberhörbar auf den Boden und steigt dann in den Zug. «Ich bin es gewohnt, mit unterschiedlichen Leuten in Kontakt zu kommen», sagt Georg mit friedlichem Lächeln.

Weiter zur Frauentoilette. Handgriff zum gefalteten grünen Lappen. Georg Berisha reinigt mit diesem alle Oberflächen, die mit Händen in Kontakt kommen. Zuerst die Türklinke. Dann macht er eine Bewegung mit dem Arm, als würde er eine Omelette wenden – schwupp liegt der Lappen mit einer unbenutzten Oberfläche gegen oben auf seiner Hand. Wasserhahn, Lappen umkehren, Oberfl äche des Lavabos, Lappen in einem Handumdrehen wechseln, weiter zum Händetrockner. «Jede Fläche mit einer neuen Lappenseite und nichts verschmieren», murmelt Georg. Mit den Lappen wird nicht gespart. Die Lappen hat er vorab im Keller im entsprechenden Reinigungsmittel getränkt. Es wird nicht geputzt, sondern mit System gereinigt – Spiegel, Lavabo, WC, Wände, Boden. «So funktioniert Hygiene», sagt der 58-Jährige. Dreimal am Tag kontrolliert er die öffentlichen Toiletten und reinigt erneut, wenn nötig.

Reinigung nach Plan

«Tsch-tsch-tsch», mit viel Schwung fegt der Betriebsangestellte die Treppen, Perrons und Unterführungen. Mit der grossen Putzmaschine war er gestern unterwegs. Das Team von der Abteilung «Service Bahnhöfe» arbeitet nach einem Reinigungsplan. Montags bekommen die Sitzbänke die Pflege und dienstags beispielsweise die Geländer.

«Hallo, Roxana, du bist am falschen Ort», sagt Georg und wischt das Blatt in seine Auffangschaufel. «So grüssen mich die stürmischen Frauen von weit her. Dieses Mal war es Sturmtief ‹Roxana›, das mir die Unterführungen mit Blättern füllte – oder Abfällen, die noch nicht am richtigen Ort waren.»

Sicherheit und Ordnung bieten

Die vielen Kaugummis haben sich in den Beton reingefressen. Ist die Aufmerksamkeit auf sie gerichtet, springen die Kaugummis den Betrachter fast an. Diese zu entfernen, ist richtig teuer. Es nimmt viel Zeit in Anspruch und ist umständlich in der Handhabung. Da können auch Georg Berisha und das Team «Service Bahnhöfe» auf die Schnelle nicht viel ausrichten. Doch dort, wo Georg in Herisau die Runde macht, ist praktisch kein Abfall auf dem Boden zu sehen. Schaut man genau hin, ist zu erkennen, wo sein Territorium beginnt und wo es endet.

In den Abfalleimern vermehren sich die Bakterien. Bald ist der Spass für die Mikroben zu Ende. «Ich bin gefährlicher als die Bakterien», grinst Georg. Er wirkt nicht nur der Bakterienvermehrung entgegen.

Auch Querulanten stellen sich ihm und Durchreisenden in den Weg. Ganz so friedlich geht es nicht immer zu und her. Den Arm auf den Besen gestützt, den Blick in die Ferne gerichtet, erinnert sich Georg: Ein Mann nahm die ganze Sitzbank ein und gewährte niemandem Platz. Georg erblickte die Person, blieb ruhig und verrichtete weiter seine Arbeit. Eine ältere Dame sprach zu ihm, dass dieser Mann Probleme mache und er aggressiv sei. Georg redete mit der Frau und bewegte sich in die Richtung des Mannes, immer noch kehrte er den Boden. Extra laut unterhielt er sich mit der Frau, sodass der Querulant mithörte, damit er ihn nicht überraschen musste. Georg eröffnete das Gespräch. Er fragte ihn, warum er niemandem Platz lasse. Unfreundlich und hassgeladen war die Reaktion des Mannes. Georg entgegnete: «Ich muss diese Sitzbank reinigen.» Der Querulant streckte den Finger an Georgs Kinn und sagte: «Dann mach deine Arbeit!» Georg Berisha machte seine Arbeit, denn der Mann hatte sich verkrümelt. Auch mit Jugendlichen unterhält sich Georg oft und sucht den Dialog. Kaum sind einige aus dem rebellischen Alter heraus, kommen die nächsten und drehen ihre Zigaretten.

Die unendliche Geschichte geht weiter

Georg, der seit 1991 bei der SOB arbeitet, leert die Abfalleimer und reinigt diese auch inwendig. «Schau, sieht sauber aus. Und warum sieht es so sauber aus? Weil ich sie täglich reinige», gibt er sich selbst die Antwort. Während Georg den Fahrkartenentwerter kontrolliert und den Papierschnipselbehälter leert, ruft ein Mann von der Unterführung hoch. «Hallo, Georg, ich wünsche dir einen schönen Tag.» Georg dreht sich um. «Das ist Respekt, wenn dir die Leute zurufen, auch wenn du ihnen den Rücken zugewandt hast», sagt er sichtlich stolz. 

Text: Ramona Schwarzmann
Fotos: Daniel Ammann

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