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Feine Linien, grosse Wirkung: Die mobilfunkfreundlichen Fensterscheiben der SOB-Züge

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Guter Handyempfang ist heute überall ein grosses Bedürfnis. Die SOB-Züge sind mit Fensterscheiben ausgerüstet, die den Empfang verbessern. Derzeit erhalten die letzten Fahrzeuge neue Scheiben.

Ungewohnt wirkt dieser Anblick im Service-Zentrum: Dem Flirt «Mürtschenstock» fehlen Scheiben. Der Flirt 055 ist mehrere Tage in Samstagern, damit ein Team von Fachspezialisten der Instandhaltung die Scheiben des Fahrzeuges austauschen kann. Dieser Flirt ist eines der letzten SOB-Fahrzeuge, das noch neue mobilfunkfreundliche Fensterscheiben erhält. Die Umrüstung wird im kommenden Jahr abgeschlossen sein. Die Flirt 3 und Traverso-Flotte wurde bereits standardmässig mit solchen Scheiben ausgeliefert.

Doch was können die neuen Scheiben im Vergleich zu den früher Eingebauten? Dafür braucht es einen kleinen Exkurs in die Fensterkunde: Die Flirt-Flotte der SOB ist mit Zweischeiben-Isolierverglasungen ausgerüstet. Die Räume zwischen diesen Gläsern sind mit Edelgas gefüllt. Zusätzlich ist die Innenseite des äusseren Glases mit einer metallischen Schicht bedampft. Diese Beschichtung reduziert den Wärmefluss vom Fahrzeug nach aussen und umgekehrt, was zu einer besseren thermischen Isolation der Fahrzeughülle und damit zu einem angenehmen Klima im Wagen beiträgt. Diese positiven Eigenschaften reduzieren allerdings den Mobilfunkempfang in den Fahrzeugen.

In einem Prototypprojekt hat die SOB Anfang 2017 deshalb neuartige Fensterscheiben getestet. Deren metallische Beschichtung wurde an bestimmten Positionen mit einem Laser entfernt, sodass sie eine sehr feine Gitterstruktur aufweist. Das Scheibenglas selbst wurde dabei nicht verändert. So werden die Signale des Mobilfunks weniger stark gedämpft, und der Signalempfang im Zug verbessert sich selbst bei schwacher Netzabdeckung wesentlich.

Pilotprojekt mit eindeutigen Ergebnissen

Den Pilotversuch hat die SOB im B- und im C-Wagen des Flirt RABe 526 063-3 durchgeführt. Nach rund 18 Monaten Pilotbetrieb konnten die Projektverantwortlichen ein positives Fazit ziehen: Der Mobilfunkempfang in den bei den Wagen war im Vergleich zu einem nicht umgerüsteten Fahrzeug messbar besser – und das ohne technische Erweiterung des Fahrzeuges.

Linien zu Beginn zu grob

Die hauchdünnen Linien in der Scheibenbeschichtung sind für das menschliche Auge nur bei genauem Hinsehen und im Gegenlicht als feine Gitterstruktur erkennbar. Der Abstand zwischen den Linien beträgt jeweils 2 mm, was eine quadratische Fläche von jeweils 4 Quadratmillimetern ergibt. Beim Prototyp im ersten Flirt waren die Linien noch 0,2 mm dick.

Für die Serienproduktion der Scheiben konnte die Linienstärke um den Faktor 4 verkleinert werden – die einzelnen Linien sind nun noch 0,05 mm dick. Das entspricht in etwa dem Durchmesser eines menschlichen Haars. Im Vergleich zum Prototyp stellen die Serienscheiben damit mit gleicher Signaldurchlässigkeit eine deutliche visuelle Verbesserung dar.

Mit viel Seife arbeiten

Das Austauschen von Fensterscheiben am Flirt «Mürtschenstock» ist Präzisionsarbeit. Die Fenster werden mithilfe eines Hallenkrans an die benötigte Position gehoben – langsam und behutsam, damit die Scheibe nicht ins Schlingern gerät.

Die Fachspezialisten Instandhaltung haben die Gummidichtungen und den Scheibenrand mit Seifenwasser eingeschmiert Die Scheibe wird unten in den Rahmen gestellt und danach von zwei Mitarbeitenden behutsam in die Dichtung eingefädelt. Steht die Scheibe auch nur ein paar Millimeter schief im Rahmen, dann knarzt es. Für die Fachspezialisten ein untrügliches Zeichen, dass sie die Scheibe noch einmal neu positionieren müssen.

Viel Erfahrung hat das Team bereits gesammelt, dennoch verursacht ein solcher Fenstertausch am ganzen Zug einen fast einwöchigen Aufenthalt des Fahrzeuges im Service-Zentrum. Denn je nach Scheibe ist es mit dem Einbau allein nicht getan. Auch Aussenanzeigen für Linien- und Zieldestinationen werden hinter Glas angezeigt. Diese technischen Komponenten müssen nebst aufgeklebten Piktogrammen nach der Montage der Scheiben ebenfalls wieder installiert werden.

Sitzt die Scheibe richtig im Rahmen, spreizt ein Füllgummi die Gummidichtung auf, die Scheibe erhält den richtigen Halt. Nun ist das Fenster wieder dicht, kein Wind oder Regen wird nun in den Fahrgastraum mehr dringen. Die neuen Fenster sorgen aber dafür, dass auch bei miesem Wetter für virtuelle Unterhaltung im Zug gesorgt ist.

Text und Fotos: Conradin Knabenhans

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