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Ein Killer für die Graffitis auf SOB-Zügen

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Das Anbringen von Graffitis an Zügen gilt gemäss dem Schweizerischen Strafgesetzbuch als Sachbeschädigung und wird als Antragsdelikt strafrechtlich verfolgt. Sprayerinnen und Sprayer sehen ihre farbigen Botschaften als Kunst – die SOB erstattet bei Vandalismus konsequent Strafanzeige.

Es geschieht oft im Schutz der Dunkelheit: Mit Farbdosen ausgestattet, schleichen Graffiti-Sprayerinnen und -Sprayer zu den Abstellgleisen der Bahn, mit dem Ziel, dem dort parkierten Rollmaterial gross und farbig ihre Botschaften aufzumalen. Das Risiko, dabei erwischt zu werden oder sich beim verbotenen Betreten der Gleisanlagen zu verletzen, nehmen sie in Kauf. Sie können die Gefahren durch plötzlich vorbeifahrende Züge nicht einschätzen. Sie begeben sich auf den Gleisen in Lebensgefahr – für einen Adrenalinkick und für ein Ziel: dem Streben nach Bekanntheit und Anerkennung. Dabei ist einmal kein Mal. Die Sprayerinnen und Sprayer wollen ihren Namen bzw. ihre anonyme Signatur in der Szene bekannt machen. Dafür sprühen sie unermüdlich auf alles, was sich anbietet: Wände, Tunnel, Mauern, Züge.

Somit erklärt sich auch, weshalb Züge eine beliebte Fläche zum Bemalen bieten: Als fahrende «Leinwand» verbreiten sich die aufgemalten Botschaften in kürzester Zeit und erreichen mehr Blickkontakt, als es statische Wände tun. Wohin die Züge am nächsten Tag fahren, wissen sie dabei genau. Viele kennen den Fahrplan auswendig, passen an der Strecke «ihren» Zug ab und teilen ihre Werke in Bildern auf einschlägigen Szenenkanälen. Sie wissen, dass sie etwas Verbotenes tun, doch ihr Geltungsdrang ist stärker.

Motivation zunichtemachen

Ihre Motivation und ihr Ziel sind auch der SOB bekannt: Verschmiertes Rollmaterial zieht die Südostbahn deshalb sofort aus dem Verkehr und überführt es ins SOB-Service-Zentrum Samstagern oder Herisau zur Reinigung. Die konsequente und vor allem zeitnahe Entfernung der Graffiti erfolgt im besten Fall innerhalb von 24 Stunden. Zum einen lässt sich frische Farbe besser entfernen und zum anderen wird der wesentliche Anreiz der Sprayerinnen und Sprayer, ihre Werke im öffentlichen Raum zu zeigen, zunichtegemacht. Rollt ein verschmierter Traverso oder Flirt ins Service-Zentrum, verlässt er dieses erst wieder, wenn er im gewohnten Glanz erstrahlt.

Erwin Kälin, Fachspezialist «Schwere Instandhaltung» im Service-Zentrum Samstagern, hat in 20 Jahren bei der SOB unzählige Graffitis von Zügen entfernt. «Früher war es wildes Gekritzel. Die heutigen Graffiti lassen auf talentierte Sprayer rückschliessen. Manche Werke sind schön zum Anschauen, nur leider am falschen Ort angebracht. Für die Folgen sollten die Leute ein stärkeres Bewusstsein haben», mahnt Erwin Kälin. Wird bei ihm eine Graffitireinigung gemeldet, muss alles schnell gehen, damit der Zug zeitnah wieder in den regulären Bahnbetrieb eingefädelt werden kann. Zwei Fachspezialisten stehen umgehend parat, wenn der Zug in die Halle rollt, inklusive aller notwendigen Utensilien: Hochdruckreiniger, Bürsten, Schwämme, Lösungsmittel. «In der Regel sind eineinhalb Zugwagen bemalt», berichtet Erwin Kälin. «Für mehr reicht wahrscheinlich die Zeit nicht aus», vermutet er. Dennoch: Um das Graffiti restlos zu entfernen, werden rund acht Arbeitsstunden benötigt. «Einige Farben erweisen sich beim Reinigen als ziemlich hartnäckig. Dank unseren professionellen Reinigungsmitteln und unserer Erfahrung entfernen wir aber auch diese», sagt Erwin Kälin schmunzelnd und sieht sich in diesem Katz-und-Maus-Spiel als Jäger. Das rückstandslose Entfernen ist dank zwei wichtigen Faktoren möglich: Um die Reinigungsaufwände zu reduzieren, kommen als erster Faktor mittlerweile spezielle Schutzanstriche beim neuen Rollmaterial zum Einsatz. Zwei Schichten Schutzlack ermöglichen es, auf den neuen SOB-Zügen Sprayereien effizient und rückstandslos zu entfernen. Sie sind vergleichbar mit der Qualität eines Autoschutzlacks. Als zweiter Faktor kommt ein effizientes Qualitätsprodukt mit dem dramatisch klingenden Namen «Der Graffiti-Killer» ins Spiel. Erwin Kälin erklärt den Reinigungsprozess: «Das Lösungsmittel wird mit einem weichen, breiten Pinsel aufgetragen, danach mit einer Bürste eingearbeitet und anschliessend wird die angelöste Farbe mit dem Hochdruckreiniger Zentimeter für Zentimeter abgewaschen. Falls danach noch Verschmutzungen sichtbar sind, wiederholen wir den Vorgang.»

Graffiti ist kein Kavaliersdelikt

Auch wenn das aufgelöste Graffiti als farbiger Lösungsmittelbrei verschwindet, ist die Sache für die Südostbahn noch lange nicht vom Tisch. «Graffiti an Infrastruktur oder an Rollmaterial ist Sachbeschädigung und wird umgehend verzeigt. Jeder verschmierte Zug wird fotografiert, dokumentiert und umgehend beim zuständigen Polizeikommando zur Anzeige gebracht», erklärt Jana Henke, Fachspezialistin für Qualität, Risiko, Sicherheit und Umwelt (QRSU) bei der Südostbahn. Nebst den strafrechtlichen Folgen muss die Täterschaft auch mit Schadenersatzansprüchen der SOB rechnen. «Jede Graffitireinigung verschlingt viel Geld und der entstandene Sachschaden ist den Verursachern kaum bewusst», ist Jana Henke überzeugt und schätzt die Kosten, die der SOB durch Sprayereien entstehen, auf jährlich rund 50 000 Franken. Dem Verursacher droht nebst der Anzeige wegen Sachbeschädigung auch noch eine zweite wegen unbefugten Betretens einer Gleisanlage. Kurz: Erwischt die Polizei einen Sprayer oder eine Sprayerin, wird es teuer.

Täterschaft dank erfolgreicher Fahndung gefasst

Fabian Kälin, Regionalfahndung Jugend bei der Kantonspolizei Schwyz, kennt die Szene und die Konsequenzen für die Täterschaft: «Wer fremdes Eigentum mit Graffitis bemalt, begeht Sachbeschädigung. Wer erwischt wird, muss gemäss Artikel 144 des Schweizerischen Strafgesetzbuches für sein Vergehen mit einer Freiheitsstrafe oder einer Busse rechnen.» Für eine erfolgreiche Fahndung sind viele Faktoren massgeblich. In erster Linie sind es die umgehenden Erstinformationen an die verantwortliche Polizeikommandostelle. «Diese Zusammenarbeit mit der SOB läuft vorbildlich. Wir werden zeitnah über die begangene Sachbeschädigung informiert und leiten dann umgehend die Fahndung ein», betont Fabian Kälin. Spielt der Zufall mit oder ist ein Sprayer unvorsichtig, wird er ertappt und angezeigt. Aufgrund der gemeldeten Strafanzeigen kommt hier schnell ans Licht, welche Graffitis dem gefassten Täter zugewiesen werden können. Doch niemand in der breiten Öffentlichkeit kennt die wahre Identität der Täterschaft. Für die erfahrenen Ermittler der Kantonspolizei Schwyz ist dieser Aspekt jedoch irrelevant. Dass ein Graffitisprayer oder eine Graffitisprayerin von der Kapo Schwyz erwischt wird, kommt öfter vor. «Nach monatelanger akribischer Ermittlungsarbeit konnte unser Team erneut einen Sprayer verhaften. Ihm konnten mehr als 200 Sprayereien in mehreren Kantonen und dem Ausland zugewiesen werden», sagt Fabian Kälin. 

Die Täterschaft muss nebst strafrechtlichen auch mit zivilrechtlichen Konsequenzen wie Schadensersatzforderungen rechnen. Dabei schmerzt die verhängte Geldstrafe die Verurteilten zwar empfindlich. Verhängnisvoller als eine Busse kann aber ein Eintrag im Strafregister bei einer Stellensuche sein. Denn dieser Eintrag kann mit keinem noch so starken «Graffiti-Killer» entfernt werden.

Text: Brigitte Baur
Bilder: Brigitte Baur und Kapo Schwyz

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