Der Fahrplan – er gibt Auskunft darüber, wann der Zug fährt, wie oft und wohin. Dahinter steckt eine mehrjährige Planung, an der der Bund, die Kantone und die Transportunternehmen mitwirken. Ziel jedes Fahrplans ist es, möglichst viele Bedürfnisse abzudecken. Keine leichte Aufgabe.
Verbindungen im öV sind nie zufällig gewählt. In den meisten Fällen sind sie Wünsche der Kantone und deren Bevölkerung. Für die Kantone ist eine gute Anbindung an das nationale und regionale Verkehrsnetz ein Vorteil, durch den sie ihre Attraktivität als Wirtschaftsstandort steigern. So bestellt zum Beispiel der Kanton St. Gallen zusammen mit dem Bund bei der SOB eine tägliche Verbindung frühmorgens zwischen Wattwil und der Hauptstadt, damit die Toggenburgerinnen und Toggenburger, die in St. Gallen arbeiten, rechtzeitig im Büro sind. Die SOB ihrerseits legt aufgrund der Streckenauslastung, der Fahrzeuge (moderne Züge sind schneller) und in Zusammenarbeit mit anderen Transportunternehmen die Abfahrts- und Ankunftszeit fest.
Welche Verbindungen das sind, findet die SOB anhand von Markt- und Situationsanalysen heraus. Sie beobachtet das Jetzt und leitet daraus Zukunftsprognosen ab. Konkret beurteilt sie die heutigen Verkehrsströme, die Verkehrsnachfrage, das Verkehrsverhalten, die Raum- und Siedlungsbildung und wie sich die jeweilige Region demografisch, wirtschaftlich und touristisch entwickelt. Anhand der Ergebnisse definiert sie Ziele und Eckpfeiler für die künftigen Fahrpläne. Dieser Prozess dauert mehrere Jahre. Das «Erfinden» des Fahrplankonzepts erfolgt fünf bis zehn Jahre im Voraus. Ein bis drei Jahre vor der Umsetzung des Fahrplans legt die SOB zusammen mit den Bestellern fest, ob die Züge nur am Morgen, nur an gewissen Tagen oder sieben Tage die Woche verkehren. Mit dem Fahrplan 2024 zum Beispiel hat die SOB schon 2017 begonnen. Die letzten Details legt sie im Herbst 2023 fest. Umgesetzt wird der Fahrplan am 10. Dezember 2023 – übrigens ein Termin (zweiter Sonntag im Dezember), der international gilt.
Steht das Konzept, geht es ans Verhandeln der Offerte. In dieser Zeit ist der Kontakt zwischen der SOB und den Vertreterinnen und Vertretern der Besteller intensiv. Aber auch vor und nach der Verhandlungsphase steht sie regelmässig in Kontakt mit den Bestellern und beeinflusst die Entwicklung des Angebots aktiv.
Was viele der Reisenden nicht wissen, ist, dass auch sie den Fahrplan beeinflussen können. Die SOB und die Besteller nehmen Kritik und Anliegen entgegen und berücksichtigen sie in der Planung des zukünftigen Fahrplanangebots. Auf diesem Weg gelangt die SOB auch immer wieder zu guten Ideen. Leider kann nicht jedem Wunsch entsprochen werden. «Jeder Fahrplan ist ein Kompromiss», erklärt Michael Sutter. Denn kleinste Anpassungen, gar im Sekunden- und Minutenbereich, wirken sich sofort auf den Fahrplan aus. Das hat hauptsächlich damit zu tun, dass auf dem Schweizer Schienennetz sehr viele Züge sehr dicht nacheinander unterwegs sind. Auf einem einspurigen Streckenabschnitt können Züge nicht kreuzen, also muss das Kreuzen in einem Bahnhof erfolgen. Fährt nun der eine Zug nur eine Minute später los, muss auch die Fahr- und Wartezeit des entgegenkommenden Zugs angepasst werden. Und entsprechend die des nächstens Zugs. Und so weiter. Ein Dominoeffekt.
Jeder Fahrplan hat Schwachstellen, die wir in Kauf nehmen müssen. Die hohe Kunst der Fahrplangestaltung ist es, möglichst viele Bedürfnisse unter einen Hut zu bringen. Gewinner und Verlierer gibt es dabei immer. Die SOB verfolgt das Ziel, allen das Beste, statt wenigen das Optimum anzubieten.
Text: Claudine Roth, Jacqueline Keller
Bilder: Daniel Ammann