Runde Räder rollen ruhiger: Eine Messanlage im Gleis

| Bahnwissen

Für eine ruhige und sichere Fahrt sind runde Räder und ein optimales Radprofil unabdingbar. Was die Mitarbeitenden der Instandhaltung zurzeit manuell mit einem optischen Messgerät erledigen, soll in Zukunft eine automatisierte Radsatzmessanlage im Streckengleis übernehmen.

Rad auf Schiene, Stahl auf Stahl – obwohl Stahl ein hartes Material ist, nutzt sich dieses ab. Dank wiederkehrenden Messungen ist der Verschleiss eines Rades vorhersagbar und das verhilft den langlebigen Radsätzen zu noch mehr Kilometerleistung. Das Rad ist nicht immer rund und verformt sich, weil es sich nicht gleichmässig abnutzt. Das Radprofil passt sich der Form des Schienenkopfs an. Beschädigungen sind weitere Gründe, warum sich ein Rad ungleich abnutzt, zum Beispiel durch Flachstellen: Diese entstehen, weil aufgrund extremer Witterungseinflüsse der «Schleuderschutz» – also das ABS der Züge – bei einer Bremsung etwas weniger effektiv als im Normalfall eingreifen kann. Dadurch entstehen sogenannte Verschliffe am Rad. Weitere Ursachen sind Material fehler oder Einwalzungen durch Material auf der Fahrbahn. Die Südostbahn überwacht all diese möglichen Ursachen eines unrunden Rades durch halbautomatische Messungen. Bemerkt das Lokpersonal einen unruhigen Wagenlauf, meldet es diesen der Instandhaltung. Im Falle einer Flachstelle am Rad muss in der Werkstatt mehr abgedreht werden. Das geschieht umgehend, denn wenn ein Rad nicht mehr rund läuft, wird der Schaden immer grösser und der Wagen rattert. Nebst unrunden Rädern ist es zudem wichtig, das Querprofil des Rades regelmässig zu kontrollieren und zu untersuchen, obsich die Betriebsgrenzmasse noch in den Toleranzen befinden.

Die aktuelle Praxis: optisches Handmessgerät

Die Südostbahn arbeitet zurzeit mit einem optischen Handmessgerät namens CALIPRI. Dieses beinhaltet eine Kamera, sendet rote Laserstrahlen aus und ermittelt so unterschiedliche Messgrössen wie Radprofil, Zustand der Bremsscheibe, Raddurchmesser und Radinnenabstand. Diese Messung führt die SOB halbautomatisch durch. Stefan Hainzl von der «Betriebsnahen Instandhaltung» oder einer seiner Kolleginnen oder Kollegen misst jedes Rad einzeln aus und muss für jeden Messparameter das Gerät in die richtige Messposition bringen. Diese Arbeiten führen sie fast täglich durch, sodass die Räder der 61 SOB-Fahrzeuge alle ein bis drei Monate, je nach gefahrener Kilometerleistung, gemessen werden. Die Daten gelangen anschliessend in eine Datenbank. SOB-Mitarbeitende überwachen die Grenzmasse und erstellen auf Basis dieser Daten Prognosen darüber, wie lange die Räder noch einsatzfähig sind. Diese Messungen will die SOB automatisieren und die Prognosen durch eine bessere Datenbasis verbessern.

Automatisierte Messung des Radsatzes

Durch den Einstieg der SOB in den Fernverkehr hat sich die Flotte praktisch verdoppelt. Das wirkt sich auf die Werkstätten aus. Diese müssen effizienter werden. Dazu automatisiert die Südostbahn auch die Messungen der Radprofile und die aufgrund der Messungen erfolgenden Arbeitsschritte. Die SOB wird im Frühjahr 2023 als erste Normalspur- Infrastrukturbetreiberin eine Überfahrmessanlage in einem Gleis installieren, das mit voller Streckengeschwindigkeit befahren wird. Für die Beschaffung der Anlage hat die Südostbahn eine Ausschreibung durchgeführt. Die Vergabe an die Firma Patentes Talgo S.L.U. (Madrid) erfolgte im September 2022. Die Südostbahn sieht vor, eine automatische Überfahrmessanlage für die Radsatzparameter in der Nähe des Service-Zentrums Herisau zu installieren. Alle SOB-Züge sowie Züge anderer Bahnunternehmen befahren dieses einspurige Gleis häufig. Die Installation erfolgt im Taltunnel, was einen gewissen Schutz vor Umwelteinflüssen wie Sonne, Regen und Schnee bietet. Die SOB rechnet mit der Aufnahme des Messbetriebs in der zweiten Hälfte 2023. Die Messanlage identifiziert jeden Zug bei jeder Überfahrt über RFID (radio-frequency identification). RFID ist ein technisches System, das Daten kontaktlos liest und speichert. Die automatische Radsatzanlage vermisst Räder bei regulärer Durchfahrtsgeschwindigkeit und bestimmt und speichert die Messergebnisse. Die Daten gelangen in die Datenbank und dienen der Überwachung der Grenzwerte und der Planung der Instandhaltung. Im Datenmanagement des Geschäftsbereichs Transport werden weitere Analysen durchgeführt und Optimierungsschritte abgeleitet.

Ziele der automatisierten Messung

Dank der automatischen Radsatzmessanlage lassen sich händische Messungen einsparen. Durch die Messungen unterwegs wissen die Fachspezialistinnen und Fachspezialisten bereits bevor ein Zug auf die Unterflurdrehbank kommt, wie der Zustand der Räder ist und wie viel Material abzudrehen ist. Die Arbeiten auf der Unterflurdrehbank sind so besser planbar, weil bekannt ist, wie lange der Zug auf der Drehbank stehen wird. Durch die ungefähr zehnmal häufigeren Messungen lassen sich Erfahrungswerte überprüfen. Eine zu erwartende Optimierung betrifft die Verschleissreserve: Der Zeitpunkt, an dem ein Radsatz sein Lebensende erreicht hat, wird genauer bestimmbar. Das heisst, die Räder können stärker abgefahren und das Material besser genutzt werden, was Zeit und Kosten spart. Zusätzlich ermöglichen Messdaten auch hier, in der schweren Instandhaltung, eine höhere Planungssicherheit. Dank häufigeren Messungen laufen nicht nur die Räder rund, sondern auch die Prozesse in der Instandhaltung.

Das passiert auf der Unterflurdrehbank (UFD)

Kommt ein Zug in die Werkstatt, entweder planmässig oder aufgrund schadhafter Stellen am Rad, findet am Anfang eine Eingangsmessung statt. Diese Daten werden auf die Unterflurdrehbank (UFD) übertragen. Stefan Hainzl und seine Kolleginnen und Kollegen können so die Schnitttiefe bestimmen, das heisst, wie viel Material vom Rad abzudrehen ist. Bei der UFD müssen die Radsätze nicht ausgebaut werden. Der Zug wird auf die UFD zugeführt und danach mit einem akkubetriebenen Schiebefahrzeug für die Positionierung der Reprofilierung verschoben. Ein Meissel nimmt von unten – also «unterflurig» – das Material auf ein hundertstel Millimeter genau ab. Für Triebachsen und Laufachsen gibt es zwei unterschiedliche Profile. Eine Laufachse dreht weniger schnell ab als eine Triebachse. Die Triebachsen haben eine grössere Abnutzung, weil ein höheres Gewicht auf ihnen lastet und eine höhere Belastung wegen Bremsen und Beschleunigen auf sie wirken. Die Mitarbeitenden der Instandhaltung in Herisau führen Reprofilierungen auch präventiv durch. Etwa alle 250 000 Kilometer werden die Räder neu abgedreht. Auf der Basis von Erfahrungswerten geschieht das drei- bis viermal während der Lebensdauer eines Radsatzes. 

Text: Ramona Schwarzmann
Fotos: Ramona Schwarzmann, SOB, Patentes Talgo S.L.U., Daniel Ammann

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