IT im Zug: Brunos Rätselparadies

| Einblick

Ohne Software rollt heute kein Zug mehr. Die Digitalisierung hat in den letzten Jahren grosse Schritte vorwärtsgemacht – auch in der Bahnbranche. So ist ein Zug von unterschiedlichen Systemen abhängig, die eine genaue Kontrolle bedingen, um die Sicherheit für die Kundinnen und Kunden zu gewährleisten. Bruno Krenger schaut genau hin und gibt erst auf, wenn alles wieder rund «rollt».

«Eigentlich kann man die Entwicklung eines Zuges gut mit der eines Autos vergleichen», erklärt Bruno Krenger. Der gelernte Automechaniker ist in einer Zeit ins Berufsleben gestartet, als es noch für alle Funktionen im Auto ausschliesslich Mechanik, Elektromechanik, Hydraulik, Pneumatik, Vacuum und Elektrik gab. Heute gibt es Steuergeräte, die ein Auto zum Fahren bringen, und so ist das auch beim Zug. Bruno merkte schnell, dass er sich der digitalen Entwicklung anpassen muss, und bildete sich zum IT Systemspezialisten aus. Nach zahlreichen Stellen in der Informationstechnik (IT) in unterschiedlichen Branchen kam er 2018 zur Südostbahn, wo er zuerst im Rechenzentrum für die Serverinfrastruktur des Backoffice der IT tätig war. Als Bruno das Stellenangebot sah und erkannte, dass er dort die Möglichkeit hat, die Vielfalt der IT-Systeme ganzheitlich zu testen, zu betreuen und weiterzuentwickeln, musste er nicht lange überlegen: «Das ist für mich die Königsklasse der IT», sagt er stolz. Seit dem Jahr 2022 ist Brun Fachspezialist Flottenmanagement Technik im Ressort IT-Systeme Rollmaterial. Er und seine Kollegen sorgen dafür, dass die Softwares in den Zügen stets auf dem aktuellen Stand sind.
 

Softwares für eine sichere Fahrt und vollumfängliche Kundeninformationen

In einem Zug gibt es unzählige Systeme, die für die Steuerung der Fahrzeuge und für die Kundeninformationen zuständig sind. Die Reservationssysteme, die Informationsbildschirme und die Notsprechstellen sind nur einige Beispiele und betreffen den Kundenbereich. Die Klimaanlagen, die die Temperatur im Fahrgastraum automatisch anpassen, oder die Touch-Bildschirme im Führerstand, über die das Lokpersonal die Fahrzeuge bedient und wichtige Hinweise zum Fahren erhält, sind wie die meisten Anwendungen im Zug digital gesteuert. «Hinter all diesen Systemen stecken verschiedene Softwares mit Daten, die immer mal wieder neue Funktionen anbieten oder Fehler und Ungenauigkeiten korrigieren. Meine Aufgabe ist es, diese unterschiedlichen Softwares genaustens auszutesten. Manchmal ergibt es sich sogar, dass ich kleinere Anpassungen selbst einpflegen, erweitern oder reparieren kann», erzählt Bruno. Ein anschauliches Beispiel bilden die elektronischen Reservationsanzeigen im Traverso. Die Arbeitskolleg/-innen vom Ressort Systeme & Qualität verantworten das Reservationssystem «ressys». Stellen sie beim Testen des Systems fest, dass die Schrift nicht vollständig angezeigt wird und abgeschnitten ist, wird der Softwarehersteller kontaktiert und gemeinsam nach einer Lösung gesucht. In einem nächsten Schritt lädt Bruno die neue Softwareversion auf den SOB-Teststand «Traverso» hoch und kontrolliert, ob alles richtig funktioniert. Der SOB Teststand ist ein Raum, in dem eine Zugfahrt simuliert wird. Stellt Bruno dann doch noch Fehler fest, muss er die Software nicht wieder von den Zügen zurückladen und hat somit wertvolle Zeit gespart. Klingt kompliziert – ist es auch. Doch genau das liebt Bruno an seinem Job: «Die Vielfalt ist kaum zu übertreffen. Bei der Problemlösung ist es wichtig, auf seinen Instinkt zu hören und übergreifend zu denken», sagt er. Da kommt ihm seine langjährige Berufserfahrung zugute: «Ich habe die gesamte Entwicklung der IT miterlebt. Heute kann ich alles gesamtheitlich betrachten und verknüpfen, das hilft mir in meinem Alltag sehr.» Softwares testen und schliesslich auf die Züge ausrollen; jeden Tag wartet eine neue Herausforderung auf Bruno. Aktuell ist er mit Regressionstests beschäftigt: Im Frühling und im Herbst gibt es jeweils ein grosses «Release». Dabei testen Bruno und seine Kollegen alle Systeme und legen dabei ihr Hauptaugenmerk auf die Systeme, die bei früheren Tests Fehler aufgewiesen haben und neu programmiert worden sind. «Diese Tests führen wir mit Probefahrleiterinnen und -leitern und Testlokführerinnen und -führern zusammen durch, da sie es sind, die mit den Systemen die Züge fahren», erklärt Bruno. Eine solche Testphase dauert durchschnittlich vier Tage. Wer jedoch denkt, die Tests seien nach den vier Tagen abgeschlossen, liegt falsch. Weitere zwei Wochen sind die aktualisierten Softwares auf Probe, bis das Release endgültig auf die ganze Flotte ausgerollt wird. Das lange Testen braucht Geduld und eine genaue Arbeitsweise, da auch sicherheitsrelevante Softwares wie das Türschliesssystem kontrolliert werden. Die Arbeitstage sind intensiv und lang, aber Bruno beklagt sich nicht: «Das Ziel meiner Arbeit ist es, dass die Kundinnen und Kunden sicher und vollumfänglich informiertunterwegs sind. Dafür geben wir alles.»
 

Das grosse Ganze verstehen

Sich tief in eine Problematik reinzuknien, das reizt Bruno an seinem Beruf. Dabei hilft auch der rege Austausch mit der Instandhaltung und der Diagnostik, die bei der Fehlererkennung und -behebung eine wichtige Rolle spielen. Die Zusammenarbeit ermöglicht es, einen Zug aus verschiedenen Blickwinkeln zu betrachten. Während Bruno ein Problem aus der Software-Sicht angeht, liefert die Instandhaltung fahrzeugspezifische Fakten und die Diagnostik kennt die Mechanik und Elektronik der Züge. «Troubleshooting, das gefällt mir», kürzt Bruno seine Leidenschaft ab. Stets den Überblick über das Gesamtsystem zu bewahren, diese Fähigkeit braucht es, um in der IT auf dem Rollmaterial erfolgreich zu sein. «Und man sollte sich natürlich für die Bahnwelt interessieren», sagt Bruno mit einem Augenzwinkern.

Mit einem Lächeln in den Ruhestand

Bruno interessiert sich auch im Privatleben für die Bahnwelt. Gemeinsam mit zwei Arbeitskollegen ist er im Verein fahrBAR, mit dem sie einen alten Bahnwagen restaurieren. Es handelt sich um ein fahrendes Bar-, Party- und Kulturlokal, das Feierfreudigen eine einzigartige Location bieten soll. «Meinen Beruf habe ich zum Hobby gemacht», so Bruno. Nach der Arbeit geht Bruno in die «Ferien», wie er sagt, denn er wohnt direkt am Bodensee. Diesen kann er in ein paar Monaten noch intensiver geniessen als jetzt schon. Bruno wird nächsten April pensioniert. Als er seine Zeit bei der Südostbahn Revue passieren lässt, legt sich ein Lächeln auf sein Gesicht. Bruno fasst seine Erfahrungen so zusammen: «Es ist herausfordernd, aber umso spannender als Fachspezialist Flottenmanagement Technik. Die Arbeit direkt an und auf den Zügen ist für mich der Höhepunkt meiner beruflichen IT-Laufbahn.» Bruno wird das Tüfteln fehlen. Doch ganz wird er das Werken an Zügen nicht missen: Auch in der Pension wird er am Projekt «fahrBAR» weiterarbeiten und dort seiner Leidenschaft nachgehen.

Mehr zum Projekt fahrBAR: 

projekt-fahrbar.ch

 

Text und Fotos: Jil Rietmann

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